02.04.2021

Co-Working-Space und Sexclub

Seit eineinhalb Monaten verbindet der Auer Sexclub Palladium die Büroarbeit mit Erotik.

Von David Grob
aktualisiert am 03.11.2022
Das Gebäude an der Feldstrasse 7 in Au ist unscheinbar. Ein Bürobau, dreistöckig, Flachdach, Parkplätze vor dem Eingang, typisch für das Viertel hier am Rande des Dorfes, das sich, eingepfercht zwischen Bahnlinie und Hauptstrasse, nicht so ganz entscheiden kann, was es sein will: Industriezone oder Wohnquartier. Doch beim Gebäude an der Feldstrasse 7 ist der Fall eindeutig: An der Front prangt die silberne Silhouette einer nackten Frau. Die Botschaft, so deutlich wie das Gebäude unscheinbar: Willkommen in der Altherrenfantasie.Auf 2000 Metern bietet das Palladium Alltagsflucht und Triebabfuhr. Zehn Zimmer, Jacuzzis, eine Smoker-Lounge, eine Sauna, ein Kino und viele halb nackte Frauen locken Männer aus der Region an. Seit kurzem ist das Palladium jedoch mehr als nur ein Erotikclub. Betreiber Andreas Tomaschek hat ein neues Geschäftsfeld entdeckt: Homeoffice und Co-Working-Space.Doch Tomaschek wäre nicht der gewiefte Geschäftsmann, der er ist, wenn er sich nicht von den Hoteliers mit ähnlichen Angeboten abheben möchte. Für 60 Franken pro Tag erhält ein Gast nicht nur einen Arbeitsplatz oder ein Sitzungszimmer, sondern auch den Eintritt in den Erotikbereich. Nur den Sex, den muss er separat bezahlen. Das Palladium ist nun beides: Rotlichtbetrieb und unscheinbares Bürogebäude.Andreas Tomaschek, eine massige Gestalt in T-Shirt und Bluejeans und mit einem Lächeln wie ein Buddha, deutet in den offenen Bürobereich. «Wir haben den Raum. Warum sollen wir den nicht zur Verfügung stellen?» Tomaschek gehört das Gebäude mit Büroräumen und neu den Homeoffice-Arbeitsplätzen im vorderen Trakt und dem Palladium im hinteren Bereich.Das neue Geschäftsmodell sei aus der Not entstanden, sagt Unternehmer Andreas Tomaschek.Verlust von knapp 50000 Franken pro MonatDie Idee ist in der Not entstanden – ohne Businessplan, ohne Konzept. Fünfeinhalb Monate war das Palladium wegen Corona geschlossen. Jeder Monat, so rechnet Tomaschek vor, bedeute ein Verlust von knapp 50000 Franken. «Time-Space» nennt er sein Angebot, das seit eineinhalb Monaten besteht und rege genutzt wird. Rund ein Drittel seiner Kunden nutzt das volle Arrangement – Tomaschek erzählt von Geschäftssitzungen, nach denen ein Teil der Männerrunde jeweils den Erotikbereich besucht.Eine Welt aus Rot und Rosa, Plüsch und KitschEs ist Mittag, doch es könnte auch dunkelste Nacht sein. Kein Tageslicht dringt ins Etablissement, in diese Welt aus Rot und Rosa, Plüsch und Kitsch, Sex und Testosteron. Es läuft Musik aus vergangenen Jahrzehnten. Frauen in Reizwäsche tragen Masken und warten auf Männer mittleren Alters, die in Bademänteln zwischen Tresen und Sauna herumtigern wie Raubtiere im Käfig. Der Barbetrieb ist wegen Corona nicht erlaubt, der Betrieb einer Cafeteria für die Gäste des Time-Space hingegen schon. Tomaschek hat daher Tresen und Zapfhahn im Palladium kurzum zur Cafeteria umdeklariert. Die Frauen, so erzählt er, seien ebenfalls Gäste wie die Männer, keine Angestellten. Auch sie buchen mit Time-Space ein Zimmer, können aber das Geld behalten, das sie für ihre Dienstleistungen einnehmen. Für eine Stunde «Vollservice» empfiehlt die Website den Preis von 260 Franken – der Preis ist aber Verhandlungssache.Er sei Gastgeber, kein Zuhälter, sagt Tomaschek. Er biete schlicht eine Plattform. Sein Geschäftsmodell ist eines von vielen im Sexgewerbe, heisst es auf Anfrage von der Beratungsstelle Maria Magdalena, die sich an Personen im Sexgewerbe im Kanton St. Gallen richtet. Konkret bedeutet dies: Die Sexarbeiterinnen sind selbstständig – und Tomaschek spart sich nach eigenen Angaben Sozialleistungen wie AHV oder Pensionskasse. Die Frauen leben und schlafen in 22 Zimmern in einem Halbkeller.Das Modell will er nach der Pandemie ausbauenMan kennt das Palladium hier im Rheintal, dem Bordell-Eldorado an der Grenze zu Österreich, das die Freier aus Vorarlberg über die Grenze lockt. Das benachbarte Bundesland ist das einzige in Österreich, in dem Prostitution verboten ist. Und so fahren die Männer über den Rhein in die Schweizer Dörfer, unter anderem nach Au, wo sich alleine drei Bordelle befinden. Das Modell läuft besser, als Andreas Tomaschek es erwartet hat. Er will es nach Corona nicht wieder aufgeben: «Ich werde es ausbauen.» Die alte Formel «Sex sells» funktioniert offenbar auch in Kombination mit Co-Working. Und hier in Au sowieso.

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