27.06.2019

«Chef, bringsch üs Glace?»

Ob mit Humor oder Ächzen: Mit den hohen Temperaturen müssen wir irgendwie fertig werden. Zur Herausforderung wird dies auf dem Bau, in der Landwirtschaft, in Spitälern oder im Tierheim.

Von Hildegard Bickel/Susi Miara
aktualisiert am 03.11.2022
Hildegard Bickel/Susi MiaraWer ohne den Vorteil einer Klimaanlage seine Arbeit zu erledigen hat, braucht während der Hitzetage eine Taktik, um produktiv zu bleiben. Dem Wetter ausgesetzt sind vor allem Bauarbeiter, die zudem schwere, körperliche Arbeiten verrichten. Bei Dietsche Strassen- und Tiefbau beginnt der Tagesablauf deshalb früher, sagt Geschäftsführer Jürg Dietsche: «Die Arbeiter sind ab 6.30 Uhr auf der Baustelle und nutzen die erste Tageshälfte, um anstrengende Arbeiten zu verrichten. Am Nachmittag folgen leichtere Aufgaben.» Am liebsten würden die Mitarbeiter in der Dämmerung beginnen, was aus Rücksicht auf Anwohner jedoch nicht möglich ist.Die Massnahmen gegen die Hitzewelle beginnen mit genügend Flüssigkeitszufuhr. «Wir stellen unseren Mitarbeitern gratis Mineralwasser zur Verfügung», sagt Jürg Dietsche. «Zudem erhalten sie Sonnencreme. Kopfbedeckung versteht sich von selbst.» Auf der Baustelle ist die Stimmung erstaunlich gelassen. Schlimmer als Hitze seien mehrere Tage Regenwetter, sind sich die Arbeiter einig. Dann werden sie nass bis auf die Haut und die Arbeit ist anstrengender.Viele nehmen die Hitzewelle mit Humor. Jürg Dietsche hört Sprüche wie: «Gibt es Glace? Dürfen wir früher Feierabend machen?» Bei extremen Hitzetagen will Jürg Dietsche spontan entscheiden, ob die Angestellten die Arbeit früher beenden können. Zudem verweist er auf die zweiwöchigen Betriebsferien Ende Juli/Anfang August, die allen eine Pause ermöglichen.Kunden wählen Blumen im Kühlraum ausWie die Menschen, schätzen auch viele Pflanzen einen Schattenplatz. «Wir stellen Sonnenschirme oder Pavillons für die Blumen auf», sagt Cecile Bruderer von Rosen Waibel in Altstätten. Mehrmals täglich giessen sei nötig, um die Pflanzen frisch zu halten.Bei hohen Temperaturen wird zudem auf die Präsentation von Schnittblumen im Laden verzichtet. «Hier herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit bei 25 Grad», sagt Cecile Bruderer. «Wir bewahren die Schnittblumen im Kühler auf, wo sie frisch bleiben und die Temperatur das ganze Jahr hindurch sieben Grad beträgt.»Die Kunden dürfen die Schnittblumen direkt im Kühler aussuchen. Doch es gibt auch Pflanzen, die in der Hitze aufblühen. Die Dipladenia ist eine klassische Sorte, die Temperaturen über 30 Grad gut erträgt.Hohe Temperaturen, jedoch keine TrockenheitWie wappnen sich Bauern gegen die Hitze? Werden da nicht Erinnerungen an den Hitzesommer 2018 wach? Ernteausfälle, trockene Böden, zu wenig Futter für das Vieh. Für viele Landwirte wurde der trockene Sommer zum Problem. «Letztes Jahr war es die Trockenheit, die den Bauern zu schaffen machte», sagt Markus Ritter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbands. Die aktuell hohen Temperaturen seien zwar für Mensch und Tier eine Qual, trocken sei es aber nicht. Die Vegetation sei sogar ein bis zwei Wochen im Verzug, vor allem weil sich Sonne und Regen in den letzten Wochen abgewechselt haben.Der Monat Mai sei sogar durchschnittlich drei Grad kühler gewesen als letztes Jahr. Bleibt es aber drei bis vier Wochen ohne Niederschläge, könnte sich die Lage schnell ändern, sagt Ritter. Im Moment sei es wichtig, strenge Arbeiten in den Morgenstunden oder abends zu erledigen. Die Milchkühe bleiben tagsüber im Stall. Mit Ventilatoren werde dort für Luftzirkulation gesorgt. Auslauf für die Tiere gibt es erst in den Abendstunden, oft sogar nachts.Spaziergänge nur frühmorgensIm Tierheim Fahrwinkel in Diepoldsau suchen Hunde und Katzen instinktiv Schattenplätze oder legen sich auch gerne auf den kühlen Plattenboden in den Boxen. «Wir haben auf unserem Gelände viele Bäume, wo die Tiere Schutz finden», sagt Nadine Leibundgut. Die Spaziergänge mit den Feriengästen finden frühmorgens, bereits gegen sechs Uhr, statt. «Abends ist es dafür noch viel zu warm», sagt Nadine Leibundgut. Die Tierärztin warnt vor Überhitzung: «Dies passiert nur, wenn der Mensch keine Rücksicht auf die Tiere nimmt.» Sie warnt bei diesen hohen Temperaturen vor langen Spaziergängen. Abkühlung bringe auch Wasser, bei wasserscheuen Hunden, genüge es sogar, wenn sie die Pfoten oder nur den Bauch im Wasser kühlen.Tagsüber Fenster schliessen, nachts lüftenBesondere Pflege brauchen auch Spitalpatienten. «Die sensiblen Bereiche wie Notfall, OP und Intensivüberwachungspflege (IMC) sind klimatisiert», erklärt Andrea Bachmann, Leiterin Kommunikation bei der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland.Auch innerhalb der Stationen werden Massnahmen ergriffen. Fenster und Läden sind tagsüber geschlossen, nachts wird gelüftet.Leichte Küche, vermehrte Flüssigkeitszufuhr, in speziellen Fällen auch kalte Wickel bringen den Patienten Erleichterung.Kältezonen mit angenehmen 21 GradDas Alters- und Pflegeheim Hof Haslach in Au hat für seine Bewohner Kältezonen eingerichtet. «In den Gemeinschaftsräumen haben wir Klimageräte, die für eine angenehme Temperatur von rund 21 Grad sorgen», sagt der Leiter des Alters- und Pflegeheims, Markus Bertschi. Weitere Massnahmen wurden getroffen und ein Ratgeber mit Verhaltensregeln herausgegeben. «Natürlich gehen wir aber auch individuell auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Bewohners ein», sagt Bert-schi und ergänzt: «Unseren Bewohnern geht es gut und unser qualifiziertes Personal weiss, was zu tun ist.»

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