Gert BrudererMit dem Rheintal verbindet Walter Thurnherr das Bürgerrecht. Er ist zwar im aargauischen Muri geboren, studierte in Zürich und war nie im Rheintal zu Hause, ist aber in Diepoldsau heimatberechtigt. Seine Tante Clara Geyer-Thurnherr lebt noch hier.Walter Thurnherr ist der Sohn von Päulalis Sepp, einem Baumeister, der im Äueli zu Hause war, aber schon vor langer Zeit das Tal verliess. Dass nun sein Sohn Walter, eben Clara Geyers Neffe, die 1.-August-Rede in Diepoldsau halten wird, freut die Tante. Selbstverständlich werde sie zur Feier kommen.Mit dem Rütli nicht mithalten könnenAls Walter Thurnherr Mitte Dezember 2015 zum Bundeskanzler gewählt wurde, schaltete Myriam Geisser schnell. Die Präsidentin der Diepoldsauer Einwohnerkommission wandte sich stracks an den Gewählten, um ihn für die nächste 1.-August-Feier als Redner zu gewinnen. Doch er legte sich nicht fest. Gerade prassle sehr viel auf ihn ein, sei die Begründung gewesen. Drei Monate später, als die ehemalige Gemeinderätin sich abermals an Walter Thurnherr wandte, gab er ihr für den 1. August 2016 einen Korb. Er fügte sinngemäss hinzu: Vielleicht ein andermal.Myriam Geisser versuchte es nächstes Jahr wieder. Doch für den Nationalfeiertag 2017 war Walter Thurnherr als Festredner aufs Rütli geladen. Myriam Geisser meint lachend: «Da konnten wir Diepoldsauer natürlich nicht mithalten.»Für dieses Jahr verzichtete die Einwohnerkommissionspräsidentin auf einen neuerlichen Versuch. Ein drittes Mal, dachte sie, frage sie nicht. Das taten dafür die Organisatoren von Au-Heerbrugg, die ebenfalls daran interessiert waren, Walter Thurnherr an ihrer Feier als Festredner zu begrüssen. Doch der Bundeskanzler lehnte ab und meinte, dass er dieses Jahr in Diepoldsau die Rede halten werde. Er habe den Organisatoren in seiner Heimatgemeinde versprochen, an ihrer Feier bei nächstbester Gelegenheit mitzuwirken.Myriam Geisser staunte und freute sich sehr. Sie findet überaus sympathisch, dass das Versprechen des Bundeskanzlers, ein andermal nach Diepoldsau zu kommen, keine leere Floskel war, sondern er sein Versprechen nun tatsächlich einlösen wollte – wohlgemerkt, ohne nochmals gestupft worden zu sein.Hoffentlich sind Vorarlberger nicht verwirrtAuch der Altstätter Verkehrsvereinspräsident Wolfgang Kessler hatte sich an Walter Thurnherr gewandt, denn auch die Altstätter hätten Freude an einer Verpflichtung des Mannes gehabt, der als Stabschef des Bundesrates tätig ist und als solcher an den wöchentlichen Sitzungen des Bundesrates nicht nur teilnimmt, sondern zudem beratende Stimme sowie die Möglichkeit hat, Anträge zu stellen.Myriam Geisser hätte nichts dagegen, würde der Bundeskanzler auch Altstätten beehren, aber der Auftritt am Abend passt Walter Thurnherr nicht ins Programm. Somit wird der Bundeskanzler am 1. August erstmals und gewissermassen exklusiv in seinem Heimatort Diepoldsau auftreten.Die Feier im Strandbad beginnt mit einem Brunch um 9.30 Uhr, die Rede folgt um etwa 10.15 Uhr.Mitte Juli wird bei den Ortstafeln in Diepoldsau ein Hinweis auf die Bundesfeier angebracht. Sodann wird jeder, der vorbeifährt sehen, dass Diepoldsau am Nationalfeiertag hohen Besuch haben wird – eben den Bundeskanzler.Hoffentlich verwirrt das nicht die vielen Österreicher und Deutschen, die durchs Dorf fahren. Denn anders als in den Nachbarländern ist der Bundeskanzler in der Schweiz ja nicht der Regierungschef. ------------------------------------------------------------------------------------------------------Ende gut, alles gut – auch für Altstätten und Au1.-August-Feier Der Altstätter Verkehrsvereinspräsident Wolfgang Kessler hat die Erfahrung gemacht, dass die Suche nach einem 1.-August-Redner beschwerlich sein kann. Er hat mehrere mögliche Kandidaten schriftlich angefragt, aber nur Absagen bekommen.Nicht jeder kann einen Parlamentarier habenAm liebsten wäre wahrscheinlich jeder Gemeinde, ein Bundesrat träte auf. Aber auch die Rede eines National- oder Ständerats ist stets willkommen und ebenfalls eine Besonderheit. Schliesslich übersteigt die Zahl der in der Schweiz bestehenden politischen Gemeinden jene der Bundesparlamentarier ums Neunfache. Es gibt 200 Nationalräte und 46 Ständeräte, aber rund 2220 Gemeinden. Also sind die Organisatoren der vielen lokalen Bundesfeiern auch auf andere namhaf- te Persönlichkeiten angewiesen. Zum Beispiel Publizisten. Oder Sportler.In Diepoldsau war letztes Jahr der Auftritt von Marcel Hug, dem Gold- und Silbermedaillengewinner an Paralympics, ein voller Erfolg. Auch Regierungsräte haben besondere Anziehungskraft.Für Au Regierungsrat mit StrahlkraftZu den drei Rheintaler Gemeinden, die bei der Festrednersuche an Walter Thurnherr dachten, gehört auch Au-Heerbrugg. Ein anderer Wunschkandidat war Beni Würth.Anders als der Bundeskanzler hatte Beni Würth den Termin noch frei, was Monika Sieber vom Einwohnerverein sehr freut. Würth ist nicht nur St. Galler Regierungsrat seit 2011, sondern präsidiert seit gut einem Jahr auch die Konferenz der Kantonsregierungen, was ihm zusätzli-che Strahlkraft verleiht. Für die Bundesfeier von Au-Heerbrugg heisst’s somit: Ende gut, alles gut.Dasselbe gilt für Altstätten (wo ja nicht jedes Jahr Markus Ritter, der einheimische Nationalrat und Bauernpräsident der Schweiz auftreten kann). Der organisierende Verkehrsverein besann sich aufs Motto «Selbst ist die Stadt». Nicht ein auswärti- ger Redner tritt deshalb am Nationalfeiertag auf, sondern eigene Stadträte ermöglichen eine «komfortable Lösung», wie Wolfgang Kessler sagt.Der bei den letzten Wahlen neu gewählte Toni Loher spricht einleitende Worte, bevor sein Ratskollege Ruedi Dörig sich zusammen mit der Festgemeinde auf eine nostalgische Reise durch die Region und speziell wohl durch Altstätten begeben wird.Gert Bruderer