26.11.2019

Bruss und Diepoldsau müssen warten

Der Kantonsrat ist gegen die dringliche Beantwortung von Carmen Bruss’ Vorstoss zu einer Transitgebühr für den Durchgangsverkehr.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Strassen- und Brückenzölle sind in der Schweiz mit der Bundesverfassung von 1848 abgeschafft worden. Manche Kantonsräte wie der Toggenburger CVP-­Fraktionssprecher Andreas Widmer glaubten deshalb, sich verhört zu haben und versicherten sich gestern zu Beginn des zweiten Tags der Novembersession zunächst, ob es Carmen Bruss mit ihrem Vorstoss zur Einführung einer Brückenmaut für die Durchfahrt durch Diepoldsau ernst meint. Auch SP-Sprecherin Bettina Surber wunderte sich, dass ein solcher Vorstoss gerade aus den Reihen der sonst so gebührenkritischen SVP kommt.Kein Witz: Bruss meint es ernstDoch der Diepoldsauer SVP-­Kantonsrätin ist es mit ihrer Interpellation nicht ums Scherzen. Anlass für die letzte Woche eingereichte Interpellation war die vom österreichischen Nationalrat beschlossene (aber vom dortigen Bundesrat noch nicht bestätigte) Aufhebung der Vignettenpflicht auf dem Autobahnabschnitt zwischen Hörbranz und Hohenems. Diepolds­au und die Vorarlberger Gemeinden rund um Hohenems befürchten deswegen massiven Mehrverkehr.Und die Mautaufhebung sei bereits für Mitte Dezember angekündigt, betonte Carmen Bruss gestern im Rat. Die vom Durchgangsverkehr betroffenen Einwohnerinnen und Einwohner von Diepoldsau wollten deshalb jetzt und nicht irgendwann wissen, ob und gegebenenfalls wie die Regierung ihnen hilft. Die Strassenanstösser seien ausserdem nicht allein betroffen. Es sei davon auszu­gehen, dass der Autobahn­anschluss Widnau-Diepoldsau noch stärker belastet werde, als er es ohnehin schon sei. Und auch der Bus von und nach Heerbrugg werde noch häufiger im Stau steckenbleiben.Das Problem an sich wurde nicht bestritten. Die Mehrheit des Rates war aber der Meinung, dass die Regierung nicht in der Lage sein wird, die Fragen, die sich im Zusammenhang mit Bruss’ Interpellation stellen, innert lediglich zweier Tage zu klären, im Besonderen ob die Einführung einer solchen Transitgebühr rechtlich überhaupt möglich ist und falls dem so wäre, ob der Kanton autonom handeln dürfte oder ob es Sache des Bundes wäre.Freund: «Evaluation in zwei Jahren abwarten»Gegen die Dringlichkeit sprachen sich SP/Grüne, FDP und CVP/GLP aus, aber auch einzelne SVP-Kantonsräte. Unter letzteren im Besonderen Walter Freund aus Eichberg. Er gehörte der Internationalen parlamentarischen Bodenseekonferenz IPBK an, als jene vor drei Jahren (als die Einführung einer Vignette für deutsche Autobahnen im Raum stand) eine gegenseitige Anerkennung der Autobahnvignetten im Dreiländereck forderte. Er ist nach wie vor für eine grenzübergeifend abgestimmte Lösung, stimmte aber gegen die Dringlichkeit, weil die aktuell im Raum stehende Mautbefreiung zwischen Hörbranz und Hohenems vorerst befristet sei und deren Auswirkung Ende 2021 evaluiert werden soll – im Wissen, dass es «Diepoldsau während dieser Zeit treffen wird».Auch der Diepoldsauer FDP-Kantonsrat Stefan Britschgi sprach sich – im Namen seiner Fraktion – aus den weiter oben genannten Gründen gegen die Dringlichkeit aus.Hess: «Jetzt braucht es kreative Lösungen»Für die dringliche Beantwortung des Vorstosses stimmten die SVP-Mehrheit und einzelne Kantonsräte der Mitteparteien. Zu jenen gehörten die CVP-Kantonsräte Sandro Hess aus Balgach und Michael Schöbi aus Altstätten. «Es braucht jetzt kreative Lösungen», meinte Hess, «sonst droht der Verkehrskollaps.» Schöbi unterstützte dies und forderte gleichzeitig, die Autobahnverbindung zwischen der Schweizer A13 und der österreichischen A14 zügig voranzutreiben.Mächler: «Das könnte kontraproduktiv sein»Die Autobahnen liessen sich aber nun mal nicht so schnell verbinden, entgegnete der zuständige Regierungsrat Marc Mächler. Er warnte auch davor, in Wien in der Sache zu lobbyieren. «Es könnte kontraproduktiv sein», meinte er, «wir sähen es auch nicht gerne, wenn sich Dritte und zudem Ausländer in unsere innenpolitischen Angelegenheiten einmischten.» Mächler setzt deshalb auf die Intervention der betroffenen Vorarlberger Gemeinden in Wien.Die Abstimmung ergab 78 Stimmen gegen die Dringlichkeit; 34 Kantonsräte waren dafür.

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