28.03.2021

Briefe, die zwei Generationen verbinden

3.-Sek-Schülerin Mirjam Schraner liess Kinder und Altersheimbewohner einander schreiben. Für alle eine berührende Erfahrung.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Mit ihrer Projektarbeit bereitete die 3.-Sek-Schülerin Mirjam Schraner wie erhofft Freude – allerdings in nicht erwartetem Ausmass … Angefangen hatte es mit Mitgefühl: Die Vorstellung von Betagten im Altersheim, die wegen der Corona-Schutzmassnahmen kaum mehr Kontakt zu Leuten ausserhalb des Heims haben, hatte Mirjam Schraner nicht mehr losgelassen. Sie nahm sich vor, den Bewohnerinnen und Bewohnern im Altersheim Haus Viva mit ihrer Projektarbeit in diesen mühsamen Tagen eine Freude zu bereiten und besann sich auf eine Möglichkeit des zwischenmenschlichen Austauschs, die früher alltäglich war, die heute aber nur noch von wenigen gepflegt wird, jene nämlich über einen handgeschriebenen Brief. Ein generationenübergreifendes Kennenlernen auf DistanzStatt selbst zum Stift zu greifen, liess Mirjam Schraner dies die 17 Schülerinnen und Schüler einer vierten Klasse im Schulhaus Klaus tun. Ihr Vater ist dort Schulleiter. Und die Klassenlehrerin Christina Wild bot gerne Hand für dieses Experiment. Auf diese Weise kam es nicht nur zu einem Briefwechsel zwischen Fremden, sondern zu einem generationenübergreifenden Kennenlernen auf Distanz.Mirjam Schraner (rechts) brachte die Briefe der Kinder ins Altersheim und holte dort auch die Antwortbriefe wieder ab. Jeannine Neff (links, Teamleiterin Aktivierung im Haus Viva) koordinierte die Aktion im Heim.Die Briefe der Schülerinnen und Schüler hat Mirjam Schraner vor zwei Wochen im Haus Viva abgegeben. Dort hatte Jeannine Neff, Teamleiterin Aktivierung, zuvor für sie 17 Seniorinnen und Senioren gefunden, die sich bereit erklärten, den Brief eines ihnen wildfremden Kindes zu beantworten.Die 87-jährige Edith Geisser beispielsweise bekam dann einen Brief von einem Jonas. Er erkundigt sich darin nach ihrem Befinden, erzählt aber auch viel von sich. Etwa, was sein Lieblingsessen ist oder welches seine Hobbys sind. Ausserdem hat er seinem Brief noch eine Zeichnung beigelegt, was Edith Geisser besonders freut.Edith Geisser hatte von Jonas einen Brief mit einer Zeichnung bekommen. Es war ihr eine Freude, ihm zu antworten.Den Brief, den Blanka Kobler erhalten hat, ist von einem Cédric geschrieben worden. Auch er habe viel von sich selbst geschrieben, auch darüber, wie er seine Zukunft sehe, was er vielleicht einmal werden wolle, erzählt sie.Blanka Kobler bedauert, durfte Cédric sie nicht besuchen kommen. Sie hätte ihm gerne eine Schokolade gegeben.Sehr gefreut hat Blanka Kobler, dass Cédric dem Brief auch ein Foto von sich beigelegt hat. «Schade, darf er mich momentan nicht besuchen kommen», meint die 95-Jährige, «ich hätte ihm gerne eine Schokolade für den lieben Brief gegeben», meint sie.Nun machte Mirjam Schraner erneut den Briefträger, holte im Haus Viva die Antwortbriefe der Seniorinnen und Senioren ab und brachte sie ins Schulhaus Klaus. Wie sich dort dann zeigt, hat ihre Projektarbeit nicht nur im Altersheim Freude bereitet, sondern schier noch mehr in der Schule: Freudestrahlend und voller Spannung öffnen die Mädchen und Buben die Briefe und beginnen gleich, darin zu lesen. Das dauert dann freilich eine Weile: Als Viertklässler ist man es sich heute in der Regel nicht mehr gewohnt, eine fremde Handschrift zu lesen und noch weniger eine, die von einem langen Leben geformt wurde. Wo eine Schülerin oder ein Schüler nicht weiterkommt, hilft Lehrerin Christina Wild und liest vor.Lehrerin Christina Wild half den Kindern beim Lesen, wenn sie in den handgeschriebenen Briefen nicht alles lesen konnten.Wie sich in den ersten Briefen die Kinder den Seniorinnen und Senioren vorgestellt hatten, schreiben jene nun den Kindern, wer sie sind und wie es ihnen geht. Ein seltsames Gefühl sei das, meint Cédric, der bislang nur innerhalb der Familie kürzere Briefe geschrieben hat. Es ist derselbe Cédric, dessen Brief an Blanka Kobler gegangen war. Die Schokolade, welche die Heimbewohnerin ihm gerne persönlich gegeben hätte, hat sie nun dem Brief beigelegt – worüber sich Cédric natürlich sehr freut.Cédric bekam dann auch ohne Besuch im Haus Viva einige Schöggeli: Blanka Kobler hat sie ihrem Brief beigelegt.Auch dem einen oder anderen weiteren Antwortschreiben liegt noch etwas bei. Rebecca etwa hat eine wunderschöne, grosse Zeichnung mit Blumen und Schmetterlingen drauf bekommen, so kunstvoll gemalt, dass sie sie begeistert der ganzen Klasse zeigt. «Die hänge ich in meinem Zimmer auf», meint sie übers ganze Gesicht strahlend.Rebecca freut sich riesig, über die Zeichnung, die sie aus dem Altersheim bekommen hat.«Megaherzig», freut sich Mirjam Schraner über die Begeisterung der Kinder.Tränen der Rührung in den Augen der LehrerinAm meisten berührt das Geschehen allerdings die Lehrerin: Kurz schiessen Christina Wild Tränen der Rührung in die Augen angesichts der Freude, mit welcher die Kinder die Antwortbriefe aus dem Altersheim lesen. Für Mirjam Schraner wird das Projekt mit dem Schlussbericht und einer Präsentation vor ihrer Klasse zwar abgeschlossen sein. Christina Wild hingegen läge viel daran, die Brieffreundschaft zwischen den Kindern und den Altersheimbewohnern aufrechtzuer­halten. Die Kinder könnten von den alten Leuten viel lernen, ist sie überzeugt: «Sie lernen über diese Briefe eine Welt kennen, die sie so nicht mehr kennen.»

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.