07.07.2021

Brandstifter hörte Stimmen im Kopf

Ein junger Kroate hat Menschen bedroht, ein Auto angezündet und im Gefängnis die Matratze in Brand gesteckt.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Seit 18. November 2019 befindet sich der heute 25-Jährige in der Forensik-Spezialstation der Klinik Wil. Zuvor sei er «ein anderer Mensch» gewesen, sagte sein Verteidiger diesen Mittwoch den Richtern in Altstätten.Unbestritten ist: Der junge Mann erkrankte mit 18 an Schizophrenie, hörte Stimmen im Kopf. Eltern und Geschwister hätten die Veränderung zwar registriert, er habe Hilfe aber abgelehnt und sein Problem nicht wahrhaben wollen, sagte er. Uneingeschränkt gab er die ihm vorgeworfenen Straftaten zu, ohne in Relativierungen Zuflucht zu suchen.Nachbar gedroht, ihm «den Hals umzudrehen»Ja, er hat dem Nachbarn im Treppenhaus gedroht, ihm «den Hals umzudrehen». Hat an dessen Auto drei Pneus zerstochen, eine Seitenscheibe eingeschlagen und den Wagen mit Hilfe von Brennsprit in Brand gesteckt. Und ja, er hat seine Ex-Freundin trotz amtlichen Hausverbots aufgesucht und auf dem Vorplatz ein wirres Gespräch angefangen, hat die junge Frau mit Beschuldigungen überzogen und gemeint, würde er «spinnen», hätte er längst das Haus angezündet oder das Auto beschädigt.Die Frau war begründet in Angst und Schrecken versetzt. Denn eineinhalb Jahre zuvor hatte ihr der unwillkommene Besucher eine Jochbeinprellung mit massivem Monokelhämatom und eine Rissquetschwunde zugefügt. Daraufhin war sie sieben Wochen in stationärer psychosomatischer Rehabilitationsbehandlung.Bevor der junge Mann sein Opfer an dessen Wohnort behelligte, hatte er kommentarlos ein Messer mit aufgespiesstem Kondom und weitere Gegenstände hinterlegt.Einem ihm nicht persönlich bekannten Mann drohte der Kroate im Facebook Messenger, er werde «Stress kriegen», weil er ein «Lügner» sei. Auch der Besitz eines Schlagrings, der regelmässige Konsum von Cannabis, «täglich zwei bis zehn Joints», sowie zwei auf sein i-phone hochgeladene, aus einem Gruppenchat stammende Dateien mit verbotener Kinder- und Tierpornografie werden dem Angeklagten zur Last gelegt.Matratze angezündet, Feuerwehr musste löschenAls Untersuchungshäftling zündete er in seiner Einzelzelle die Matratze an – mit Hilfe von zerrissenem Papier, einem Pingpongball, Deo-Spray und einem Feuerzeug.Den Rauchmelder hatte er zuvor mit einem Plastiksäcklein abgedeckt, so dass der Brandstifter selbst in Not geriet. An der Zellentür rief er kurz vor fünf Uhr morgens um Hilfe, wobei er den Fernseher zerstörte. Ein Wärter versuchte das Feuer zu löschen, es brauchte die Feuerwehr. Der Einsatz erfolgte am 25. August 2019. Der Angeklagte sagt heute: «Ich bin nicht ich selbst gewesen.»Nach der Schizophrenie auch noch KnochenkrebsGesundheitlich hatte der Kroate doppelt Pech, indem er auch noch Knochenkrebs bekam. Er stand mit Krücken vor Gericht. In einem Knie hat er eine Prothese, die Chemotherapie brachte allerdings den erhofften Erfolg.Der Mann wirkt heute nicht wie jemand, der sich nicht im Griff hat. Die selbst beantragte, im November 2019 angetretene stationäre Behandlung mit Therapie und Medikation hat die Wahnvorstellungen zum Verschwinden gebracht. Der Angeklagte fühlt sich bereit, eine Ausbildung zu machen, nachdem er die Polymechaniker-Lehre zur Halbzeit abgebrochen hatte. In diesem Zusammenhang läuft ein IV-Verfahren.Drei Jahre, sieben Monate oder nur vier Monate?Der Staatsanwalt, der die deutlichen Fortschritte anerkennt, hat eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und sieben Monaten beantragt, die zugunsten einer stationären Massnahme aufzuschieben seien. Der Aufschub kommt einer Aufhebung gleich, sofern weitere Straftaten ausbleiben.Die Kosten, die dem Anklagten bei einem Schuldspruch erwachsen, übersteigen die Summe von 40000 Franken. Es handelt sich im Wesentlichen um Untersuchungskosten und vom Angeklagten vollumfänglich anerkannte Zivilforderungen. Die finanzielle Situation des jungen Mannes ist indes nicht sehr ermutigend: Abgesehen von zwei Monaten temporärer Tätigkeit, hat er seit dem Abbruch der Lehre nicht gearbeitet, sondern die Zeit untätig zu Hause verbracht. Es laufen Betreibungen, aber der Überblick fehle ihm.Was die Drohungen, Sachbeschädigungen und Brandstiftung betrifft, wünscht der Verteidiger einen Freispruch oder eine Einstellung des Verfahrens. Für die übrigen Anklagepunkte stellt er sich entweder eine Geldstrafe oder eine viermonatige Gefängnisstrafe vor. Es sei im Zweifel für den Angeklagten davon auszugehen, dass er von den Stimmen in seinem Kopf zu stark beeinflusst war, um einen klaren Gedanken fassen zu können.Der Staatsanwalt hielt dagegen, das zugegeben verminderte Verschulden habe er bereits stark berücksichtigt. Überdies sei die Strafe sozusagen das Damoklesschwert für den Fall, dass die stationäre Massnahme doch nicht erfolgreich sein sollte.Hohe Bedeutung hat die Frage des LandesverweisesEine höhere Bedetung kommt dem beantragten Landesverweis von sieben Jahren zu. Der Angeklagte, der seit 2001 in Altstätten lebt, meinte, die Landesverweisung wäre «ein rechter Schlag» und «hart». Als Bezugsperson hätte er in Kroatien allenfalls seinen Grossvater. Mit der ebenfalls dort lebenden Tante und der Cousine habe er kaum zu tun. Die Eltern besitzen ein Haus in der Nähe der Hauptstadt, er selbst verbringt pro Jahr zwei Wochen in seinem Herkunftsland.Der Verteidiger fügte sinngemäss an: Wo wir uns schon diese Mühe gäben, einen Straftäter mit grossem Aufwand auf den rechten Weg zu bringen und ihm für sein weiteres Leben eine Perspektive zu geben – welchen Sinn hätte da eine Landesverweisung? Hinweis Das Kreisgericht Rheintal wird das Urteil schriftlich eröffnen.

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