21.12.2021

Bolt lässt uns um Schnecke bangen

Mit seinem neuen Kurzfilm hat Jan-David Bolt einen 1. Preis gewonnen. Tierfreunde müssen früh zittern.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Gleich am Anfang ist die Schnecke gross ins Bild gerückt. Sie kriecht auf einem Platz mit vielen Menschen. Es besteht kein Zweifel: Irgendjemand wird sie gleich zertreten.Das Geräusch tut weh. Unweigerlich fragt sich das Publikum: Wurde hier eine echte Schnecke zermanscht?Das sechsminütige Werk des in Zürich lebenden St. Margrethers lässt sich als Plädoyer für Entschleunigung deuten. In Macau hat «Phlegm» zwei Preise gewonnen, am Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb ging der 1. Preis in der Kategorie «Professionals» an Jan-David Bolt und sein Team. Der Sohn des früheren Mineralheilbadbetreibers hat schon vor zwei Jahren mit dem Kurzfilm «Nero» einen 1. Platz belegt.Im St. Margrether Wald mit dem Filmen begonnenFür sein allererstes filmisches Experiment begab sich der Dreissigjährige vor bald einem Jahrzehnt in den Wald ob St. Margrethen. Es entstand ein erster, eineinhalbminütiger Kurzfilm. Um ein mehrminütiges Werk professionell herzustellen, sind nicht nur viele Mitwirkende, sondern auch ein minimales Budget in der Grössenordnung von 10000 Franken nötig. Den jüngst mehrfach ausgezeichneten Kurzfilm «Phlegm» hat die Rheintaler Kulturstiftung mit 5000 Franken und Bolts Heimatgemeinde mit 3000 Franken unterstützt. Das Preisgeld vom Ostschweizer Wettbewerb beträgt 950 Franken, aus Macau kommen weitere 1000. Und SRF zeigt den prämierten Film auf seiner Website, was immerhin auch ein paar hundert Franken einbringt.Kürzlich hat Bolt im Rheintal recherchiertJan-David Bolt, ein Neffe des Arbeitgeberverbandssekretärs Thomas Bolt, ist in St. Margrethen aufgewachsen, hat in der Jungwacht mitgemacht, auch als Leiter, besuchte in Heerbrugg die Kanti und beendete die gymnasiale Ausbildung in Appenzell. Danach studierte er zunächst Germanistik und Englisch an der Uni Zürich, von 2016 bis 2021 studierte er Film an der Zürcher Hochschule der Künste. Interdisziplinär arbeitet er als Regisseur, Autor, Kameramann und vermehrt auch im Bereich der Szenografie.Vor allem im Sommer kehrt Jan-David Bolt gern für Besuche ins Rheintal zurück, wo er einige Freunde hat. [caption_left: Der dreissigjährige Regisseur Jan-David Bolt ist in St.Margrethen aufgewachsen und hat hier vor Jahren erstmals im Wald mit der Filmkamera experimentiert. Bild: Sebastian Lendenmann]Es folgt ein Episodenfilm als grösseres ProjektVor Kurzem recherchierte er sogar in seinem Heimatort, zudem in Widnau, Berneck, Heerbrugg und Altstätten. Der Grund ist ein noch eher vages Projekt für die mittlere Zukunft, wobei der Regisseur an einen Spielfilm denkt.Zunächst jedoch beschäftigt den St. Margrether ein erstes grosses Filmprojekt, ein fünfteiliger Episodenfilm mit dem Titel «Swissmess». Es geht um Pflasterhagel in Bern, Goldschürfer an der Limmat, Zombies in Graubünden und Explosionen auf dem Bodensee. Geplant ist ein Werk von Spielfilmlänge, unter Mitwirkung der Aargauerin Deborah Lara Schaefer und des (auch massgeblich an «Phlegm» beteiligten) Schwyzers Lars Mulle. Jan-David Bolt verspricht Aktualität, Spektakel und Lachkrämpfe. Demnächst, sagt er, werde versucht, eine Produktionsfirma für das Projekt zu gewinnen.Mit den Schnecken das Studium abgeschlossenMit dem Kurzfilm «Phlegm» hat Jan-David Bolt sein Bachelorstudium abgeschlossen. Das dialogfreie Werk beginnt mit der erwähnten Schnecke und endet mit Menschen, die sich wie Schnecken fortbewegen. Für die Musik wurden Holz- und Perkussionsinstrumente und eine selbst gebaute Schneckenhaus-Rassel verwendet.Die am Anfang gross gezeigte Schnecke ist echt. Sie wird aber nicht wirklich zertreten. Jan-David Bolt hält schon von der branchenintern bestehenden «seltsamen Faustregel» nicht sonderlich viel, wonach ein Tier in einem Film getötet werden dürfe, wenn es auch gegessen werde. Seiner Schnecke hat er jedenfalls nichts angetan, sie habe eine Woche lang bei ihm in einem Terrarium gelebt und sei inzwischen in dem Wald zurück, in dem er sie gefunden habe. Der St. Margrether verrät, woraus die verblüffend echt wirkende Masse unter dem Schuh des die Schnecke zertretenden Bankers besteht: aus Aloe-Vera-Saft, Kombucha-Pilz und Senf. Bis 16. Januar zu sehen bei Play SRF. 

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