Als junger Mensch ist es selbstverständlich, den sogenannten Berufswahlprozess zu durchlaufen. Was sperrig klingt, ist ein bewährter Vorgang, in dessen Verlauf Oberstufenschülerinnen und -schüler herausfinden, welchen Beruf sie ergreifen oder welche Grundlagen sie für ihre Laufbahn legen möchten. Die Jugendlichen können sich darauf verlassen, dass ihnen Eltern, Lehrpersonen oder Berufsberatende hilfreich zur Seite stehen. Haben sie erst einmal einen Beruf ergriffen, einige Stufen der Karriereleiter erklommen oder eine Familienpause eingelegt, tauchen meist neue Fragen auf: Will man den eingeschlagenen Weg fortsetzen oder keimt der Wunsch auf, sich zu verändern? Manchmal nimmt man ein solches Gefühl nur diffus wahr, kann es nicht fassen und erst recht keine Schlüsse aus ihm ziehen. Hier setzt das seit April im Rheintal laufende Förderprogramm «viamia» (siehe Kasten) an. Anhand einer individuellen Beratung ortet man seine Position in der Laufbahn.Eigenen Standort mit «viamia» bestimmen«Das Tempo der Veränderungen in der Arbeitswelt ist enorm», sagt Martin Hofer, Leiter der Berufs- und Laufbahnberatung Rheintal in Altstätten. «Es fällt niemandem leicht, sich zu verändern.» Vielen jungen Menschen sei klar, dass sie mit der Lehre allein langfristig zu wenig für ihr Erwerbsleben gerüstet seien. «Über 40-Jährigen nur bedingt.» Deshalb passe der Name «viamia» zu Deutsch «mein Weg»: «Jede und jeder hat den eigenen beruflichen Weg und steht irgendwann vor der Frage, ob er oder sie abzweigen, einen Zwischenhalt einlegen oder die Richtung beibehalten soll», sagt Martin Hofer. Er ist selbst Berater und führt das Programm in Altstätten mit der Berufs- und Laufbahnberaterin Susan Kley durch. Er erachtet es als ratsam, mit 40 Jahren seinen beruflichen Standort zu bestimmen. «Falls man komplett umsatteln möchte, hat man dann noch genug Zeit, die nötigen Schritte einzuleiten», sagt er. Die erste Etappe auf dem Weg zum persönlichen Plan ist in der ganzen Schweiz gleich. Zunächst füllt der oder die Ratsuchende einen standardisierten Fragebogen über die eigenen Laufbahnressourcen aus. «Diese Selbsteinschätzung zu Ausbildung, Erfahrung, weiteren Fähigkeiten, Motivation und Umfeld ergibt ein Ressourcenprofil des Kunden oder der Kundin», sagt Susan Kley. Im nächsten Schritt wird der Lebenslauf besprochen und es fliesst eine Arbeitsmarktrecherche des jeweiligen Berufsfeldes in die Beratung ein. Manchem reichen die gewonnen Erkenntnisse. Er oder sie schliesst den Prozess nach der ersten Etappe ab. Wer konkrete Ziele formulieren möchte, kann sich in einer zweiten Etappe individuell beraten lassen. «Wir ermutigen, eine gewisse Klarheit zu schaffen, wodurch zum Beispiel das Selbstvertrauen gestärkt wird», sagt Martin Hofer. In einer Auslegeordnung werden mögliche Weiterbildungen aufgezeigt und die Bewerbungsunterlagen aktualisiert. Es werden Fragen aufgeworfen, die auch an einem etwaigen Vorstellungsgespräch gestellt werden können. Dann sind die Antworten parat, man ist sich ihrer bereits bewusst. «Wir wollen erreichen, dass die Beratenen herausfinden, ob sie auf ihrem Weg bleiben oder einen neuen einschlagen möchten», sagt Susan Kley. «Wenn eine Person weiss, wo sie steht und wie sie sich weiterentwickeln kann, hat sie gute Karten für ein Gespräch mit Arbeitgebenden. Vor allem in Zeiten eines Fachkräftemangels», sagt Hofer.Programm ist im Rheintal gut angelaufenSeit April haben sich im Rheintal 15 Personen mit «viamia» fördern lassen. Im Sommer gingen die Nachfragen leicht zurück. «Das entspricht dem kantonalen Trend», sagt Hofer. Vier der Beratenen waren mit der Standortbestimmung zufrieden, elf sind noch inmitten des Prozesses und lassen sich vertieft beraten. «Bisher hat sich das Programm bewährt.» Stand heute sind keine Anpassungen nötig. Ob es nach drei Jahren weitergeführt wird, entscheidet der Bund.Programm «viamia» – Standortortbestimmung für Menschen Ü40Im Mai 2019 hat der Bundesrat beschlossen, dass Schweizer Unternehmen im Wettbewerb um Fachkräfte möglichst viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz rekrutieren sollen. Damit dies gelingen kann, will der Bundesrat das Potenzial inländischer Arbeitskräfte intensiver fördern als bisher. Eine von sieben Massnahmen ist das landesweit standardisierte und auf drei Jahre angelegte Programm «viamia». Zum Jahreswechsel haben es schweizweit alle Kantone eingeführt. Die Berufs- und Laufbahnberatung Rheintal bietet es seit Ende April an. Nachdem die Beratung Jugendlicher und die innerhalb von «viamia» gratis ist, hat der Kanton die Kostenpflicht der übrigen Erwachsenen (25 bis 40 Jahre) für die Laufzeit des Programms per Mai 2022 ausgesetzt. Hinweis:www.sg.ch/bildung-sport/bslb/laufbahn/viamia