Kurt LatzerDerzeit ist im Schweizer Grenzverkehr einiges in Bewegung, nicht nur auf der Strasse. Wie in anderen Landesteilen stehen Einkaufstouristen an den Grenzübergängen im St. Galler Rheintal Schlange. Weil die Detaillisten gegen den Einkaufstourismus Sturm laufen, will die Thurgauer Regierung mittels Standesinitiative den Freibetrag von 300 Franken pro Person und Tag loswerden. Damit man die Mehrwertsteuer zurückbekommt, ohne in Deutschland noch einmal den Laden betreten zu müssen, hat ein Schweizer Unternehmen 2015 Automaten an der deutsch-schweizerischen Grenze aufgestellt. Gegen die haben sich die deutschen Detaillisten erfolgreich gewehrt, weil sie wegen der Automaten weniger oft Besuch aus der Schweiz im Laden hatten. Zudem generierten die Mehrwertsteuer-Scanner noch längere Staus auf deutscher Seite. In Vorarlberg hat man die speziellen Geräte gar nicht erst installiert. Bei den Behörden dies- und jenseits des Rheins hat man überlegt, mit welchen technischen Mitteln die Situation an der Grenze in den Griff zu kriegen wäre. Ein Resultat ist «Quick Zoll – Verzollen via Smartphone». Die eidgenössische Zollverwaltung hat die App im März lanciert.U34 bezeichnet man das Formular, mit dem man in Österreich die Mehrwertsteuer zurück bekommt. Etwa 1,2 Millionen dieser Scheine haben Einkaufstouristen letztes Jahr in Vorarlberg abstempeln lassen, sagt Johannes Pasquali, Pressesprecher des Bundesministeriums für Finanzen in Wien. «Quick Zoll» habe keinen Einfluss auf die Arbeit der österreichischen Grenzbeamten. Eine spürbare Entlastung des Verkehrs an den Grenzen erwarte man wegen der neuen App nicht. An den anderen Schweizer Grenzen haben im selben Zeitraum 16 Millionen Mehrwertsteuer-Formulare einen Stempel bekommen.Je kleiner der Freibetrag, desto höher der NutzenHaben die in Vorarlberg eingekauften Waren mehr als 300 Franken pro Person gekostet, musste man bisher zweimal anhalten. Auf der Vorarlberger Seite für den Stempel auf U34, eine Zollstelle weiter wegen der Abgabe an den Schweizer Fiskus.Um das zu ändern, gibt es nun «Quick Zoll». Wer diese App nutzt, die nötigen Eingaben beherrscht und die «Spielregeln» beachtet, kann die Grenze ganz gelassen und ohne anzuhalten überqueren. Denselben Vorteil aber haben die Einkaufstouristen, die darauf achten, in Vorarlberg nicht für mehr als netto 300 Franken einzukaufen. Das aber gilt nur für die Leute, die auch die erlaubten Mengen für Fleisch, Tabakwaren, Alkohol und dergleichen einhalten. Wer hiervon mehr dabei hat und den Freibetrag von 300 Franken einhält, muss Zoll zahlen und kann «Quick Zoll» nutzen. Aber wehe, wenn man sich nicht genau an die Vorgaben der App hält. Wenn man beispielsweise die Zeitspanne zwischen «Quick-Zoll»-Aktivierung und Grenzübertritt nicht einhält, kann es teuer werden.Höherer Mindesteinkauf könnte helfenIn Deutschland überlegt man, an den Grenzübergängen Automaten einzusetzen, an denen man Belege für die Mehrwertsteuer-Rückerstattung abstempeln lassen kann. Plant man auch in Österreich etwas in der Richtung, um das Personal zu entlasten? «Wir prüfen derzeit, ob die Bearbeitung der U34-Formulare an private Unternehmen übertragbar ist oder teilweise Automaten zum Einsatz kommen können», sagt Johannes Pasquali.In Österreich muss man mindestens Waren im Wert von 75.01 Euro kaufen, um die Mehrwertsteuer von 20 respektive 10 Prozent zurückzubekommen. Der Mindestwert in Italien liegt bei 154.95, in Frankreich bei 175.01 Euro. In Deutschland gibt es keine Beschränkung, dort bekommt man die Mehrwertsteuer ab dem ersten Euro rückerstattet. Erhöhte man den Mindestbetrag, könnte man die Zahl der U34-Formulare reduzieren und das Zollpersonal entlasten – oder? Johannes Pasquali: «Zurzeit gibt es keine derartigen Überlegungen.»Nach Meinung der Thurgauer Regierung könnte man den Einkaufstourismus stoppen, wenn es gelänge, den Freibetrag von 300 Franken abzuschaffen. Über das und eine Kürzung dieses Betrages diskutieren die Politiker schon einige Zeit. Mindestens so heftig diskutiert sind die zu erwartenden Auswirkungen auf die Verkehrssituation an den Grenzübergängen, sollte der Freibetrag fallen. Gegner befürchten, die Staus zwischen Vorarlberg und dem St. Galler Rheintal könnten zunehmen. Denn wer dann «Quick Zoll» nicht nutzen will oder kann, steht zweimal am Schalter, einmal in Vorarlberg, ein zweites Mal in der Schweiz.