Marcel Bützer steht am Skiwachstisch in seinem Keller, vor ihm ein Blatt Papier, darauf ein Häufchen dunkelblaues Pulver. Er reibt mit dem Zeigefinger über das Pulver, riecht daran und nickt zufrieden. «Das ist Indigo, derselbe Stoff, den es auch in Blue Jeans hat. Und in Haarfärbungsmitteln, Tattoofarben oder chirurgische Fäden», sagt Marcel Bützer.
Der Altstätter ist glücklich, denn ihm und seinem Vater, dem Chemiker Peter Bützer, ist es gelungen, aus Indigo ein ökologisch ungefährliches Gleitmittel für den Langlaufsport zu entwickeln. Damit liegen die beiden im Trend: Langlaufen erlebt nicht erst seit Corona und auch nicht nur wegen des schneereichen Winters einen regelrechten Aufschwung. Und ökologisches Denken rückt in allen Bereichen des Lebens immer mehr ins allgemeine Bewusstsein.
Die beiden wollten «nicht nur anprangern»
Die Idee dazu kam den beiden Altstättern, weil ihnen bewusst wurde, was die traditionelle Präparierung mit der Natur macht – und mit der eigenen Gesundheit. Viele der herkömmlichen Fluorwachse sind schädlich für Mensch und Natur.
In der Europäischen Union sind gewisse Wachse, die Fluorcarbone enthalten, seit letztem Sommer verboten. Eine Untersuchung des Konsumentenmagazins «K-Tipp» wies im Januar in Fischen aus verschiedenen Seen im Engadin insgesamt 13 gefährliche Fluorcarbone nach. Das Bundesamt für Gesundheit stuft diese Substanz als krebserregend ein. «Vielen ist nicht bewusst, was diese Stoffe verursachen», sagt Bützer besorgt. Dann fügt er an: «Aber wir wollten nicht nur mit dem Finger auf etwas zeigen, sondern auch etwas machen.»
Inhaltsverzeichnis: Null Fluorcarbone
Was Bützers machen, ist mehr, als lediglich die giftigen Stoffe aus einem Gleitwachs wegzuentwickeln. «Isantin ist eine komplett neue Produktgruppe und enthält überhaupt keine Fluorcarbone», erklärt Marcel Bützer. Die beiden experimentierfreudigen Chemiker begegnen bei ihrer Arbeit jedoch auch Vorurteilen. «Viele verbinden ein ökologisches Gleitmittel mit weniger Leistung», sagt Marcel Bützer. Dem sei jedoch nicht so: «Dieses Gleitmittel kann in der Leistung absolut mit den Topfluorwachsen mithalten.»
Auch andere Vorteile haben sie mit dem innovativen Produkt gefunden: «Es ist sehr resistent gegen Abrieb und zieht viel weniger Schmutz an – darum kann man mit einer Anwendung oft mehr Kilometer machen als mit einer traditionellen Präparierung.» Für Bützers ist nämlich nicht nur der ökologische Aspekt wichtig. Sie sind selber eingefleischte Langläufer, deshalb musste auch das Ergebnis stimmen. Der Ski durfte nicht nur die ersten Kilometer schnell sein, er musste auch am Ende einer langen Tour immer noch gut gleiten.
Unterstützung von Profis und aus der Forschung
Der Weg zum fertigen Produkt war lang. Rund sechs Jahre waren Vater und Sohn mit der Entwicklung ihres Gleitmittels beschäftigt. Dabei wurden sie auch von Langlaufprofi Curdin Perl unterstützt und das Schnee- und Lawinenforschungsinstitut der ETH Zürich hat während rund 100 Arbeitsstunden Isantin technisch getestet.
Neue Projektförderung des Bundes gesichertObwohl jetzt ein Produkt da ist, geht die Entwicklung noch weiter: Kürzlich sicherte sich Isantin auch die Unterstützung von Inosuisse, eines Projekts für Innovationsförderung des Bundes. Denn auch nach sechs Jahren und grossen privaten Investitionen ist es noch ein weiter Weg, bis das Produkt sich für Vater und Sohn Bützer finanziell lohnt. Isantin kostet nämlich etwa gleich viel wie ein teures Fluorwachs und Bützers können nicht wie die grossen Marken auf ein bestehendes Distributionsnetz zurückgreifen. Sie müssen alles selbst machen.
Bis sich das ändert, hoffen die beiden auf Mund-zu-Mund- Propaganda von Langläufern, die ihr Produkt probiert haben – und sie verkaufen ihr Produkt aus dem Wachsraum von Marcel Bützers Garage heraus.