Bittersüsses von Süss und Ratzek

Jeder bekommt sein Fett weg bei Birgit Süss, aber mit welch sprachlicher Brillanz. Spannungsgeladen dann die Untermalung der Texte von Tuba und Kontrabass durch Könner Klaus Ratzek. Süss und Ratzek begeisterten kürzlich das Publikum der Walzehuser Bühni. Süss, nein bittersüss, gestaltet sich der Rückblick von Birgit Süss auf ihr oder das Leben einer Frau um die Lebenshälfte. Sie macht weder Halt vor Kritik an Kultur noch an sozialpolitischen oder Umwelt-Fragen. Wortgewandt, gradlinig und doch um verschiedene Kurven gedacht, schildert sie Freuden, Ängste und Nöte einer lebenserfahrenen Frau. Falls je irgendwer einen Haihamster sichtet, sollte dieser Birgit Süss gemeldet werden. Denn das wäre eine Züchtung ihrer beiden Lieblingstiere Hai und Hamster. So beleuchtet die gebürtige Augsburgerin Probleme oder Manipulationen des Alltags von einer spannend ungewohnten Seite. Denksprünge vom Haihamster zur Jet leg-Bekämpfung mit Viagra über Sexorgien von Fruchtfliegen bis hin zur Frage, weshalb über fünfzigjährige Frauen mangels Gebärmöglichkeit überhaupt noch weiterleben, sind solche spitzfindigen Gedankengänge. Süss ist also nicht Programm, sondern auch Provokation. Allgemein langweilige Situationen wie das Fernsehen werden durch die Schauspielerin und Radiomoderatorin zum sprachlichen Hochgenuss. Doch Süss beeindruckt nicht nur durch Sprachwitz, nein, auch durch ihre Chansons, ebenfalls mit spitzer Feder geschrieben. Als ausgebildete Jazzsängerin sind die Liedvorträge ein Hochgenuss. Natürlich unterstützt von Klaus Ratzek auf Tuba oder Kontrabass. Doch der Musiker umrahmt oder begleitet nicht nur, er unterstreicht, tritt in einen Dialog oder begeistert mit eigenen Soli. Hier haben sich zwei Meister ihres Fachs gefunden. Daraus entstand das Stück «Paradies. Und das». Wer immer das Programm besucht, die Zugabe muss gefordert werden. Denn niemand sollte die Gänsehaut hervorrufende Interpretation von Schuberts «Der Mond ist aufgegangen» verpassen. (iks)