«Wenn die Nationalmannschaft spielt, steht das Leben in Kamerun still», verrät Bischof Bruno Ateba. «Fällt ein Tor, freuen sich alle und dann wird es richtig laut.» Die Leute versammeln sich auf der Strasse, tanzen und trinken. Grund zum Feiern hatten die Kamerunerinnen und Kameruner im Februar dieses Jahres, als der Afrika-Cup in ihrem Land ausgetragen wurde und das Team den dritten Platz erreichte. «Kamerun verlor erst im Penaltyschiessen gegen Ägypten», sagt er.
2017 gewann Kamerun in Gabun den Afrika-Cup. «Der Sieg war ein Feiertag.» Beim Stadtpräsidenten in Yaoundé gab es einen riesigen Empfang für die Spieler, in allen Regionen des Landes wurde der Pokal gezeigt. «Ich durfte den Pokal in Maroua ebenfalls in den Händen halten», sagt er mit einem Strahlen in den Augen.
Seelsorger der Nationalmannschaft
Bruno Ateba studierte Philosophie und Theologie, trat in die Gemeinschaft der Pallotiner ein und wurde 1995 zum Priester geweiht. Als Priester und Rektor der Basilika Maria Königin der Apostel in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé war er von 2003 bis 2006 Seelsorger der Fussball-Nationalmannschaft. «Wir sind vor den Spielen im Kreis gestanden und haben zusammen das ‹Vater unser› gebetet», erzählt er.
Das gemeinsame Gebet war ein Zeichen der Einheit, auch die Muslime im Team machten mit.
Damals waren viele gute Spieler dabei wie Samuel Eto’o, Patrick Mboma, Rigobert und Alexander Song. «Die Spiele mit Eto’o werden mir immer in guter Erinnerung bleiben.» Rigobert Song, mit acht Turnieren Rekordteilnehmer am Afrika-Cup, ist seit März Trainer der Nationalmannschaft.
Heute ist es für Bruno Ateba schwieriger, die Spiele im Stadion zu verfolgen. Er ist seit 2014 Bischof von Maroua-Mokolo im Norden Kameruns – 1400 Kilometer entfernt von der Hauptstadt. Die Kathedrale bietet 3500 Sitzplätze. «Die Gottesdienste sind gut besucht und sehr lebendig», sagt der Bischof. «Ich predige, die Leute tanzen und singen.» Und sie bringen dem Priester bei jedem Messebesuch Naturalien mit, Papayas, Hühner oder Ziegen, da sie keine Kirchensteuer zahlen. Unterstützt wird das Bistum vom katholischen Hilfswerk «Kirche in Not». Auf Einladung des Hilfswerks weilte Bischof Bruno Ateba vom 15. bis 20. November in der Schweiz und feierte diverse Messen, auch in Widnau.
Als kleiner Bub war der Kameruner erstmals im Stadion dabei. Sein Bruder trug ihn damals noch auf den Schultern. Canon Yaoundé – diesen Klub unterstützte er – gewann gegen Union de Douala und wurde kamerunischer Meister. «Das ist schon sehr lange her», sagt er mit einem Lachen. Am Sonntag feierte der Bischof seinen 58. Geburtstag.
Bischof Bruno ist Fan von Bayern München
Und wenn er heute im Stadion dabei ist? «Dann habe ich Fussballfieber», sagt er und man sieht ihm die Begeisterung an. «Das Publikum tanzt, singt und trommelt. Es ist immer gute Stimmung.» Er selbst hat Fussball gespielt, bis er seinen linken Fuss gebrochen hatte und aufhören musste. Im Gymnasium war er dann Kapitän des Volleyballteams. Als Priester in Yaoundé spielte er Tennis gegen die Franzosen, die neben der Basilika einen Sportplatz hatten. Sein Lieblingsspieler war Yannick Noah, der beste französische Tennisspieler mit kamerunischen Wurzeln.
Ich mochte auch Roger Federer und die Williams-Schwestern.
Er schaut Spiele von Roland Garros auf einem französischen Sender – und Fussballspiele der Ligue 1 und der Bundesliga. «Ich bin Fan von Bayern München», sagt Bischof Bruno. «Dort spielt der Kameruner Eric Maxim Choupo-Moting. Er ist sehr stark.»
Noch weitere Topspieler stehen im Kader der Nationalmannschaft: Goalie André Onana von Inter Mailand, Mittelfeldspieler Frank Anguissa von Napoli, Stürmer Toko Ekambi von Olympique Lyon oder Stürmer Vincent Aboubakar von Al-Assr, der Torschützenkönig des diesjährigen Afrika-Cups. Das Land stehe hinter seiner Nationalmannschaft. «Alle Kamerunerinnen und Kameruner mögen Fussball», sagt er. «Für uns ist Fussball wie eine Religion.»
Begegnung, Freundschaft und Liebe
Bischof Bruno Ateba ist nach seinem Aufenthalt in der Schweiz nach Paris weitergereist, wo er das WM-Spiel zwischen Kamerun und der Schweiz im Fernsehen schauen will. «Mein Herz schlägt für Kamerun», sagt er. «Die Schweiz hat jedoch eine gute Mannschaft. Ich tippe auf ein 0:0.» Kamerun sei in einer schwierigen Gruppe. «Aber es ist unsere Hoffnung und unser Traum, dass das Team weiterkommt», sagt der Bischof. So wie an der WM in Italien 1990, als Kamerun als erstes afrikanisches Land den Viertelfinal erreichte. «Dafür bete ich.»
Er gibt aber zu bedenken: «Fussball ist nur ein Spiel.» Nach dem Schlusspfiff umarmen sich die Spieler und tauschen Trikots – für ihn ein Zeichen der Einheit. «Meine Mutter sagte immer, es gibt drei Dinge im Leben: Begegnung, Freundschaft und die Liebe», sagt Bischof Bruno. «So muss es auch im Fussball sein.»
WM-Serie: Wir porträtieren vor jedem Gruppenspiel der Schweizer Nationalmannschaft an der Fussball-WM in Katar eine Person aus dem Land des Gruppengegners. Den Auftakt macht Bischof Bruno Ateba aus Kamerun. Das Spiel Schweiz-Kamerun findet am Donnerstag, 24. November, um 11 Uhr statt. (mko)