13.07.2021

Bewährte Methoden nicht ersetzen

Rheintaler Schulen waren digital bereits vor der Pandemie gut aufgestellt. Sie hat die Entwicklung lediglich beschleunigt. Am wichtigsten beim Lernen ist nach wie vor die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Benjamin Schmid«In vielen Fächern läuft der Unterricht über digitale Plattformen», sagt Roland Züger, Schulleiter der Primarschule Oberriet. So sei Französisch ohne Laptop oder Tablet nicht zu lernen und auch in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch kommen immer mehr Lernplattformen im Netz dazu.«Die Schule St. Margrethen achtet darauf, dass die Schülerinnen und Schüler Medien und Informatik in vielfältiger Weise als Lernwerkzeug einsetzen», sagt Michel Bawidamann, Informatikverantwortlicher der Schule. So kommen mobile Endgeräte beim Recherchieren, beim Arbeiten mit Ton- und Videodateien und beim Lernen und Üben, aber auch beim Kommunizieren, beim kooperativen Arbeiten und Präsentieren zum Einsatz.«Die Oberstufe Oberriet verfolgt die Entwicklung in der Digitalisierung seit Jahren aktiv», sagt Roland Wohlwend, Schulleiter OZ Oberriet. Ein Teil der Aufgabe der Volksschule bestehe darin, die Jugendlichen auf die Herausforderungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Erwartungen der Berufswelt vorzubereiten. Es ist daher wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen lernen, mit den digitalen Möglichkeiten umzugehen, diese sinnvoll zu nutzen und sich der Gefahren in der digitalen Welt bewusst zu sein.«Wir waren vor der Pandemie digital gut aufgestellt, da wir bereits seit Jahren Tablet-Klassen führen und auch die Lehrpersonen über entsprechende Erfahrungen verfügten», sagt Christian Haas, ICT-Verantwortlicher der Kantonsschule Heerbrugg. Die Digitalisierung diene einerseits als Mittel zum Zweck für wichtige Kompetenzen wie zum Beispiel gemeinsam Probleme lösen, andererseits ermöglicht sie, den Unterricht individueller und abwechslungsreicher zu gestalten. Die Verbreitung der Nutzung digitaler Hilfsmittel habe sich durch die Pandemie beschleunigt, gleichzeitig zeigte sich auch, dass der persönliche Kontakt der Schülerinnen und Schüler mit den Lehrpersonen sehr wichtig ist.«Alle Schülerinnen und Schüler nutzen ein Tablet als Arbeitsgerät», sagt Oliver Morandi, IT-Verantwortlicher der Oberstufe Mittelrheintal, «auch wurde während der Pandemie die Kommunikation über digitale Wege verstärkt.» Sie stellten Unterschiede zwischen der Sekundar- und der Realstufe betreffend Erreichbarkeit fest. Die Digitalisierung war bereits vor der Pandemie wichtig und wurde entsprechend akzentuiert. «Digitalisierung ist Bestandteil unseres Lebens, trotzdem müssen wir verstehen, was die Computer machen. Deshalb ist das digitale Denken wichtig, und darum bereits in der Kindheit zu lernen», sagt Oliver Morandi. Dennoch werden die digitalen Möglichkeiten als Hilfsmittel eingesetzt, denn am wichtigsten ist beim Lernen ist nach wie vor die Beziehung zwischen dem Lehrenden und dem Lernenden. Digitalisierung ist keine Revolution«Digitale Werkzeuge gehören heute wie selbstverständlich zum Schulalltag. Sie erweitern die Methodenvielfalt und ermöglichen lernwirksamen Unterricht», sagt Christian Haas. Trotzdem sei eine rein digitale Schule keinesfalls erstrebenswert. Der analoge Kontakt und Austausch bleiben zentral. Digitalisierung ist aus seiner Sicht keine Revolution, sondern ein laufender Prozess. Bewährte Methoden würden nicht über den Haufen geworfen oder ersetzt, sondern durch neue Tools und Möglichkeiten ergänzt. In einer digitalen Welt sind Fakten jederzeit und überall verfügbar. Wichtiger als die reinen Fakten ist der kompetente Umgang mit Informationen, Medien und Technologie. Zudem gehören Fähigkeiten wie beispielsweise die Kommunikation und Kollaboration, kreatives Problemlösen, kritisches Denken und Eigenmotivation genauso zu den Bildungszielen wie ein fundiertes Sachwissen. Lernen ist nicht nur ein Eintrichtern von Wissen. Roland Wohlwend ist im Gegenteil davon überzeugt, dass das Lernen ein sozialer Prozess ist, der in der steten Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Themen passiert. «Mit dem digitalen Unterricht erweitert sich das Repertoire der Unterrichts- und Lernmethoden», sagt der Schulleiter. Aber die Digitalisierung ersetze die Methoden von «früher» nicht. Die Aufgabe der Lehrperson ist es, für jedes Thema die passendste Form zu finden. So habe das reine Wissen über den Aufbau sowie die Funktionsweise von «Teams», «OneNote» und weiteren Computer- und Lernprogrammen keinen Lernzuwachs zur Folge. Erst die eigenständige Auseinandersetzung und die tägliche Nutzung führen dazu. «Die steigende Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien für die Gesellschaft wirkt sich auch auf die Schule aus», sagt Michel Bawidamann. Um als Kind, Jugendlicher und Erwachsener in der heutigen Mediengesellschaft bestehen zu können, benötigt es Kompetenzen, die weit über die Bedienung von digitalen Endgeräten hinausgehen. Die Aufgabe der Schule ist es, die Kinder und Jugendlichen bei der Entwicklung dieser notwendigen Kompetenzen zu unterstützen und zu begleiten. «Vermutlich wird die Rolle des digitalen Unterrichtens immer grösser», sagt Roland Züger, «die Schule hat sich aber dafür stark zu machen, dass alle anderen Einflüsse nicht in Vergessenheit geraten.» Das Zusammenspiel der seit Pestalozzi geltenden Schulmaxime von Kopf, Herz und Hand ist auch heute noch ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche und leistbare Schullandschaft. Digitalisierung dürfe Mittel zum Zweck sein, aber beileibe keine Religion. Verstärkt die Digitalisierung die soziale Kluft?Eine digitalisierte Schule kann jeden erreichen: Viele befürchten aber, gerade durch die Digitalisierung könne die soziale Kluft noch grösser werden – weil diejenigen, die zu Hause am besten ausgestattet und gefördert werden, noch mehr davonziehen. «Chancengerechtigkeit ist ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Bildungslandschaft», sagt Roland Wohlwend. Um dem Problem entgegenzutreten, wurden zwei Pilotklassen mit persönlichen Arbeitsgeräten ausgerüstet. Indem die Schule St. Margrethen digitale Geräte zur Verfügung stellt, könne nicht von einer Kluft gesprochen werden. Die Ausrüstung ermögliche im Gegenteil flexibles, ort- und zeitunabhängiges Lernen. An der Kanti Heerbrugg verfügen alle Schülerinnen und Schüler über ein eigenes, selbst finanziertes Gerät. Wo es finanziell knapp ist, helfen einerseits Stipendien und andererseits, in Härtefällen, die Kantonsschule selbst. An der OMR werden alle mit der nötigen Infrastruktur ausgerüstet und dadurch Chancengerechtigkeit angestrebt, wenn auch gewisse Unterschiede blieben. Dass die Digitalisierung die soziale Kluft vergrössert, deckt sich mit den Erkenntnissen aus den Lockdown-Erfahrungen von Roland Züger: «Kinder, die zu Hause von ihren Eltern während der Pandemie begleitet wurden, haben teils grosse Vorsprünge gegenüber jenen gemacht, bei denen die Eltern das nicht leisten konnten.» Die digitale Welt berge darüber hinaus weitere negative Auswüchse, die alle belasten. Daher ist eine konsequente und alle Werte umfassende Ausbildung von grosser Wichtigkeit. «Ebenso wichtig muss aber auch die Pflege des Miteinanders sein», sagt der Schulleiter, «digitale Kontakte ersetzen die realen in keiner Weise.»

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