09.04.2021

Berufsschule statt Güterschuppen: Schreiner lernen bald in St.Margrethen

Auf dem Güterbahnhofareal in St. Margrethen sollen künftig Schreinerlehrlinge unterrichtet werden, ausserdem entsteht ein Quartier mit Wohnungen, Büroräumen und Gewerbefläche.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
In keiner anderen Gemeinde der Region hat sich das Zentrum im letzten Jahr so stark verändert wie in St. Margrethen. Zur neuen Stadler-Produktionsstätte hinter den Gleisen auf dem Altfeld-Areal kamen 2020 fast zeitgleich Passerelle und Bushof hinzu. Im Sommer wird an der Bahnhofstrasse ausserdem eine Coop-Filiale eröffnen, ein Hotel beim Mineralheilbad folgt nur wenige Monate später. Damit ist aber nicht genug – zumindest lassen das fünf Zeilen im Jahresbericht der Gemeinde vermuten, die ein ebenso ortsbildprägendes Investorenprojekt ankünden wie die genannten. Demnach könnte das Gebiet um den Bahnhof bald noch urbaner anmuten: Das Zentrum wächst weiter, diesmal in Richtung Osten auf dem Güterbahnhofareal. Schwerpunkt sei die Ansiedlung einer Berufsschule, heisst es im Bericht. Auf Anfrage konkretisiert Gemeindepräsident Reto Friedauer das Vorhaben: Es handle sich um die Schreinerfachschule, die im östlichen Bereich des Güterschuppens entlang der Gleise ein fünfgeschossiges Kompetenzzentrum bauen will. Schulen in Flawil und Buchs werden schliessen«Wir beabsichtigen schon länger, unser Fachwissen unter einem Dach zu bündeln», erklärt Ferdinand Riederer, Präsident des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten Kanton St. Gallen, der Trägerschaft der Schreinerfachschule. Dies, weil sich die Ausbildung von Schreinerlehrlingen derzeit auf mehrere angemietete Standorte verteile: die Schulen in Flawil und Buchs sowie Kursorte in Gossau, Schaan und Wattwil. Im Ringkanton St. Gallen gestalte es sich allerdings anspruchsvoll, einen zentralen Standort mit einer Anfahrtsdistanz zu finden, die allen Schülerinnen und Schülern zuzumuten sei. «St. Margrethen dünkt uns ideal – einerseits wegen der guten ÖV-Anbindung, andererseits, weil auf der Strecke Sargans-Wil viele Betriebe angesiedelt sind», sagt Riederer. Der Verband habe den Standort 2020 in einem Grundsatzentscheid einstimmig gutgeheissen. Auch das Amt für Berufsbildung stehe der Zentralisierung positiv gegenüber. Noch in diesem Jahr werden die Verbandsmitglieder über das Investment von rund 20 Millionen Franken abstimmen. 350 bis 400 Schülerinnen und Schüler sollen im Kompetenzzentrum unterrichtet werden, das einen Viertel bis einen Drittel des Areals in Beschlag nehmen wird. Der westliche Teil des Güterbahnhofs, wo heute Büroflächen vermietet werden und eine Textilfirma beheimatet ist, soll als Mensa dienen, den Bahnhof-Charme jedoch behalten.Wo heute ein Military-Store Antiquitäten aus der Armee verkauft, sollen bald angehende Schreinerinnen und Schreiner unterrichtet werden. Damit ist die Entwicklung des Areals aber noch nicht abgeschlossen. Die RLC Immoprojekt AG, die sich bereits 2018 mit einer Studie befasste, plant ein ganzes Quartier auf dem insgesamt rund 1,2 Hektaren grossen Gelände, das sich südlich des Güterschuppens über den Bahnhofplatz, einen Lebensmittelladen und mehrere Wohnhäuser bis an die Industriestrasse erstreckt und westlich an die Johannes-Brasselstrasse, östlich an die GAG Gefrierhaus AG grenzt. Mehrere Wohnhäuserund ein HochhausDer Bahnhofplatz soll neu gestaltet werden, ausserdem ist ein Hochhaus mit Büros, Wohnungen und einer Gewerbefläche im Erdgeschoss vorgesehen. Weiter südlich auf dem Areal sollen vier bis sieben Wohnhäuser entstehen. Wie viele es tatsächlich sein werden und welche bestehenden Gebäude dafür weichen müssen, steht gemäss RLC Immoprojekt AG noch nicht fest und hängt davon ab, welche Eigentümer ihre Liegenschaften in die Gesamtplanung einbinden werden. Deshalb sieht das Unternehmen derzeit noch davon ab, Pläne zu veröffentlichen. Gegenüber dem Güterbahnhof hat sich ein Lebensmittelgeschäft niedergelassen, hinter dem Laden befinden sich Wohnhäuser. Wie rasch das Vorhaben voranschreitet, wird aber nicht nur von der Bereitschaft der Eigentümer beeinflusst. Das Projekt bedarf aufgrund der Gebäudehöhe einer Sondernutzungsplanung, die erst genehmigt werden kann, wenn die Revision der Ortsplanung abgeschlossen ist. Diese ist in allen St. Galler Gemeinden nötig geworden, weil im Kanton 2017 das neue Planungs- und Baugesetz in Kraft getreten ist. Gemäss Reto Friedauer soll die revidierte Ortsplanung in St. Margrethen noch im kommenden halben Jahr öffentlich aufliegen. Aufgrund dieser komplexen Abhängigkeiten habe sich die Gemeinde bisher mit Informationen zurückgehalten. Der Gemeindepräsident gibt sich aber schon jetzt optimistisch: «Das Vorhaben ist eine grosse Chance für uns, einen neuen Entwicklungsschwerpunkt in unmittelbarer Bahnhofsnähe zu setzen.»

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