Gert Bruderer
In der Medienmitteilung, die der Verwaltungsrat des Zweckverbandes Altersheim Oberriet-Rüthi und die Heimleitung verbreitet haben (siehe rheintaler.ch), finden sich drei Kernaussagen: Zwischen dem 22. Oktober und dem 4. November haben sich 41 Bewohnerinnen und Bewohner sowie 25 Mitarbeitende mit dem Virus angesteckt. Seit dem 22. Oktober seien sechs Menschen gestorben, fünf von ihnen seien positiv auf Corona getestet gewesen; ob die Infektion auch die Todesursache sei, lasse sich noch nicht sagen. Ausserdem ist zu lesen: «Nach heutigen Erkenntnissen wurden die geltenden Sicherheits- und Hygienemassnahmen eingehalten.»Offizieller Darstellung wird heftig widersprochenDer offiziellen Darstellung wird zum Teil vehement widersprochen. Zumindest in der Zeit nach der Lockerung kam es vor, dass jemand, der sich mit einer Maske ins Heim begab, sogar ausdrücklich zum Verzicht auf die Maske ermuntert worden sei, sinngemäss mit der Begründung, sie sei doch nicht nötig, für die alten Menschen sei es schöner, wenn sie auch die Gesichter der Menschen sehen könnten. Die Tochter eines Pensionärs äussert sich ähnlich. Ihr sei nicht aufgefallen, dass je irgendjemand eine Maske getragen hätte. Die Vorwürfe reichen bis zur Aussage, das Krisenmanagement habe völlig versagt. So berichtet eine Angehörige, am Donnerstag, 28. Oktober, hätten Pensionäre im Speisesaal erstmals nur zu zweit am Tisch gesessen (statt zu viert). Es treffe überdies nicht – wie vom Heim behauptet – zu, dass alle zwei Tage getestet worden sei, sondern eher zweimal pro Woche. Alle Vorwürfe laufen zusammengefasst darauf hinaus, dass das Problem der Pandemie und das konkrete Ansteckungsproblem im eigenen Haus auf die leichte Schulter genommen worden seien.Am Sonntag, 31. Oktober – als das Virus im Feldhof längst grassierte – konnten Besucherinnen und Besucher auf einem Infoblatt lesen: «Im Innenbereich besteht eine generelle Maskenpflicht (…) Keine Maskenpflicht besteht sitzend am Tisch in der Cafeteria. Wir verzichten auf ein 3G-Zertifikat, um allen einen Besuch im Feldhof zu ermöglichen.» Nach Auskunft des kantonalen Amtes für Soziales gilt seit dem 23. Oktober eine generelle Maskenpflicht in allen Räumen des Altersheims Feldhof. Davor habe die Maskenpflicht in allen Situationen gegolten, in denen der erforderliche Abstand von 1,5 Metern während mehr als 15 Minuten nicht gewährleistet werden konnte.Vereinzelt wird das Heim auch in Schutz genommen. Eine Angehörige berichtet, als sie während des Lockdowns ein Päckli durchs Fenster gereicht habe, sei dies gesehen und gemeldet worden, worauf der Heimleiter sie gerügt und gemeint habe, das sei unzulässig. Die Frau sagt, ihrer Einschätzung nach sei im Altersheim alles Nötige getan worden, sie sei sehr zufrieden.Aufarbeitung gibt es «mit Sicherheit»Haben die doch schwerwiegenden Vorwürfe eine Untersuchung zur Folge? Der Oberrieter Gemeindepräsident Rolf Huber, der dem Verwaltungsrat des Altersheim-Zweckverbandes vorsteht, antwortet, es sei «im Interesse aller Beteiligten, dass solche aussergewöhnlichen Ereig-nisse im Nachgang aufgearbeitet, analysiert und allenfalls Erkenntnisse daraus gewonnen werden». Entsprechend werde «zum gegebenen Zeitpunkt mit Sicherheit eine Aufarbeitung stattfinden». In welchem Rahmen dies geschehen werde, sei noch nicht bekannt. Nach heutigem Wissensstand und nach Absprache mit dem Amt für Soziales des Kantons St. Gallen seien die geltenden Sicherheits- und Hygienemassnahmen im Altersheim Feldhof angewendet worden, schreibt Rolf Huber. Zuständig für eine interne Untersuchung ist die Aufsichtsbehörde. Gegenwärtig «setzen Heimleitung und Verwaltungsrat die gesamte Energie dafür ein, die ausserordentliche Lage möglichst ohne weitere Ansteckungen zu bewältigen», versichert der Verwaltungsratspräsident.Christina Manser, die Leiterin des kantonalen Amtes für Soziales, bestätigt: Das Altersheim Feldhof «verfügt über das vorgeschriebene Schutzkonzept». Und weiter: Von der Situation vor Ort habe sich eine Fachperson für Hygiene des Amtes für Soziales mehrfach einen Eindruck verschafft. Diese Person stehe «in engem Austausch mit den verantwortlichen Personen der Institution sowie der Aufsichtsbehörde». Und was heisst das nun konkret?Die Zusatzantwort lautet so: Die Fachperson sei unmittelbar nach den ersten positiven Testergebnissen bei Pensionären über die aktuelle Situation informiert worden. Mit den darauffolgenden Institutionsbesuchen seien die Überprüfung des Schutzkonzepts und das weitere Vorgehen bzw. die Massnahmen ein Thema gewesen.Die Aufsicht über das Altersheim Feldhof liegt in der Zuständigkeit des Zweckverbands, mit dem man in gutem Kontakt stehe, wie Christina Manser schreibt. Aufgrund des laufenden Prüfungsverfahrens könnten zurzeit keine weiteren Auskünfte erteilt werden. Priorität habe zum jetzigen Zeitpunkt die Ausbruchsbewältigung und damit der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner des Altersheims.Scharfe Kritik an InformationspolitikDie eingangs erwähnte Angehörige, die das Krisenmanagement scharf kritisiert, gibt an, am 5. November erstmals Post vom Altersheim erhalten zu haben, mit der sie über das Coronaproblem informiert worden sei. Sie ist bei weitem nicht die Einzige, die einen solchen Informationsverzicht als fahrlässig erachtet. Zum Teil sollen Angehörige aber telefonisch kontaktiert worden sein und bei positivem Testergebnis seien Angehörige jeweils informiert worden, hat Heimleiter Kurt Maute am Dienstag gesagt. Nach Ansicht der Kritikerinnen und Kritiker wäre schon viel früher gezielt und strikt darauf hinzuwirken gewesen, dass das Virus sich nicht weiter im Heim ausbreiten kann. Eine Informationspolitik, wie das Heim sie betrieben habe, sei auch der in ihm lebenden Menschen unwürdig. Von den Pensionären sind zwei Drittel mit dem Virus infiziert, beim Personal liegt der Anteil der Infizierten nur knapp unter vierzig Prozent. Im Brief mit Datum vom 2. und Poststempel vom 4. November wird den Angehörigen mitgeteilt: «Zum Glück haben die allermeisten Bewohnenden dank der Impfung ‹nur› einen leichten Verlauf, ohne schwere Symptome, so dass Sie sich keine Sorgen machen müssen.»