18.07.2021

«Beim Jäten erde ich mich»

Einst war Sabina Saggioro Bäuerin. Heute als Geschäftsleiterin weiss sie, es war richtig, sich nicht zu spezialisieren.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Es ist ein regnerischer Tag und es tut wohl, die grünen Sträucher und farbi­-gen Blüten im Garten von Sabina Saggioro anzuschauen. Sie durchbrechen das graue Einerlei des kalten Sommertages. Den Garten inmitten der Innenstadt hatte Sabina Saggioro angelegt, nachdem sie ihr Leben als Bäuerin aufgegeben hatte. Die Anlage verrät, ihr Herz schlägt nach wie vor für Natur und Garten. «Beim Jäten denke ich nach und erde mich», sagt sie.Als Teenager hatte Sabina Saggioro einen Bauern kennengelernt. Einen Bezug zur Landwirtschaft hatte sie damals nicht. Im Gegenteil. Schon als sie sieben Jahre alt war, sagte man ihr, dass sie nie einen Bauern heiraten dürfe. Ihr Heuschnupfen war schuld. Also absolvierte die Jugendliche die Handelsmittelschule und arbeitete im damaligen Fürsorgesekretariat der Stadt Altstätten.Ihren Lebensweg wollte sich Sabina Saggioro nicht vom Heuschnupfen weisen lassen. Sie heiratete Benno Hasler, zog zu ihm auf den Färbertrinerhof, wurde Bäuerin und erarbeitete sich die dazugehörigen Zertifikate. Sie kümmerte sich um Haus und Garten, unterstützte ihren Mann auf dem Hof und erledigte betriebswirtschaftliche Belange. Darüber hinaus bildete die Mutter vierer Kinder junge Frauen aus, die auf dem Hof ein Bäuerliches Haushaltsjahr absolvierten. Weiter engagierte sie sich in der Freiwilligenarbeit und schweizweit in der Berufsbildung. «Ich habe Frauen die Prüfung im Bügeln abgenommen. So eine unemanzipierte Aufgabe», sagt sie.Von der Bäuerin zur GeschäftsleiterinFalls sich Sabina Saggioro je hat emanzipieren müssen, heute muss sie es nicht. Als Geschäftsleiterin des Vereins St. Galler Rheintal hat sie einen Posten inne, den vorher ein Mann ausfüllte. Göpf Spirig war im Jahr 2012 in den Ruhestand gegangen. Auf den Branchenwechsel hatte sich die Bäuerin vorbereitet. Ab dem Jahr 2004 absolvierte sie ein Studium der Betriebsökonomie, nach 2009 arbeitete sie vier Jahre lang im Marketing des Trägervereins Culinarium.«Ich fühlte mich auf dem Hof nicht immer daheim und wollte mein Potenzial nicht brachliegen lassen», sagt sie. Es lag nicht da­ran, dass ihr die Arbeit zu streng gewesen wäre. Sabina Saggioro war zwar den ganzen Tag auf dem Hof unterwegs. «Das Einkaufen und Kochen waren aber meine Arbeit. Heute erledige ich das in meiner Freizeit.»«Es war der Zeitpunkt gekommen, loszulassen». Einer ihrer Söhne arbeitet auf dem elterlichen Hof. Er möchte ihn einst übernehmen. Hinzu kam, dass die Beziehung zwischen Sabina Saggioro und ihrem Ehemann nicht mehr gut funktionierte. «Unsere Ansichten gingen auseinander und ich wollte nicht, dass wir nebeneinanderherleben», sagt sie. Im Jahr 2010 folgte die Scheidung. «Ich wollte mein eigenes Leben leben und nicht darauf vertrauen, dass nur der Mann schaut.»Die Geschäftsleiterin bleibt so ruhig wie die BäuerinDie Bäuerin hat nicht die berufliche Richtung geändert, als sie Geschäftsleiterin des Vereins St. Galler Rheintal wurde. «Ich habe mich weiterentwickelt», sagt sie. Sie ist überzeugt, mit ihren erworbenen Fertigkeiten am richtigen Ort zu wirken. Zum Beispiel hat sie gelernt, die Ruhe zu bewahren, sollte es einmal hektisch werden. «Ich plane einen Ablauf automatisch und weiss doch, dass ich flexibel bleiben muss, wenn ich ihn nicht einhalten kann.» Zum Beispiel hilft es ihr, die Anliegen zu verstehen, die aus der Arbeitsgruppe Siedlung und Landschaft an sie herangetragen werden. Kommen Ökologie und Biodiversität zur Sprache, weiss sie, wo Erfolgsaussichten liegen und sich Hindernisse verbergen.Als Geschäftsleiterin hat Sabina Saggioro zum ersten Mal verstanden, dass sie sich nicht spezialisieren muss. «Ich habe es lange als ein Problem angeschaut, dass ich generalistisch denke und handle.» Im Studium habe man sie stets angehalten, sich auf einen Schwerpunkt festzulegen. «Nun weiss ich, dass es mir entspricht. Alle Einzelteile fügen sich wie in einem Mosaik zusammen.»Der Heuschnupfen plagt Sabina Saggioro nicht mehr, seit sie im Städtli lebt. Zwischen­zeitlich hatte er zu starkem Asthma geführt. «Obwohl ich eine Schutzmaske trug, reagierte ich mit tränenden Augen und starkem Husten, sobald ich mit Stroh, Heu oder Getreide in Berührung kam», sagt sie.

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