Die Vereinigung a plus wirft dem Stadtrat in einer Stellungnahme fehlende Rechtsstaatlichkeit und den Missbrauch der Demokratie vor. Das sind gravierende Vorwürfe, basiert das Funktionieren unseres politischen Systems doch genau auf diesen Pfeilern. Dem Stadtrat ist es darum wichtig, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen und falsche Aussagen richtig zu stellen.
An der Bürgerversammlung im November beantragte der Stadtrat mit dem Budget einen Betrag von 30000 Franken zur Realisierung zweier automatisch versenkbare Poller in der Marktgasse. Der Versuchsbetrieb des vergangenen Sommers – den jeweils an den Nachmittagen und den Wochenenden für den motorisierten Verkehr gesperrten Abschnitt der Marktgasse zwischen Rabengasse und Frauenhof – sollte damit in eine endgültige Lösung überführt werden. Der Stadtrat informierte darüber am 18. November.
An der Bürgerversammlung stellte Peter Schnell den Antrag, «das Pilotprojekt ‹Durchfahrt Marktgasse einschränken› nicht in die definitive Umsetzung aufzunehmen und somit in vollem Umfang, also auch mit den damit verbundenen Kosten, abzulehnen». Peter Schnell führte aus, der Stadtrat habe die Rechte des motorisierten Privatverkehrs in der Marktgasse auf dem Stand vom 24. September 2017 (Datum der Ablehnung der Initiative «autofreie Marktgasse» sowie des Gegenvorschlags des Stadtrats an der Urne) zu belassen, und es gehe nicht an, den motorisierten Privatverkehr durch schleichende Massnahmen weiter einzuschränken. Stadtpräsident Ruedi Mattle wies Peter Schnell darauf hin, dass sich ein Antrag lediglich auf eine Budgetposition beziehen dürfe. Der Antrag wurde daraufhin auf die Streichung der Budgetposition der beiden Poller eingeschränkt.
Absicht sehr wohl an der Bürgerversammlung deutlich gemacht
Dass a plus nun behauptet, Peter Schnell hätte seine Absicht nicht schon an der Bürgerversammlung transparent gemacht, entbehrt jeder Grundlage. Dies kann im Protokoll der Bürgerversammlung nachgelesen werden. Auch weitere Votanten wiesen darauf hin, dass eine Einschränkung der Durchfahrt und die Aufhebung von Parkplätzen zu Umsatzeinbussen der Geschäfte führe und deshalb nicht im Interesse einer belebten Altstadt liege. Es gehe nicht um die 30000 Franken, sagte ein Votant, vielmehr sei es der falsche Weg, mit Verboten das Städtli attraktiver machen zu wollen.
Die Bürgerversammlung unterstützte den Antrag zur Streichung der Budgetposition von 30000 Franken sodann grossmehrheitlich. Der Stadtrat musste diesen demokratischen Entscheid zur Kenntnis nehmen. Obwohl a plus etwas anderes suggeriert, sieht der Stadtrat in der durch ihn vorgeschlagenen Massnahme mit temporärer Verkehrsbeschränkung sowie einer Aufwertung durch Möblierung und Begrünung im besagten Abschnitt der Marktgasse weiterhin ein geeignetes und adäquates Mittel zur Stärkung der Altstadt.
Obwohl der zur Abstimmung gebrachte Antrag «nur» die Poller beinhaltete, standen der ursprüngliche Antrag und die Voten gegen die Verkehrs- und Parkierungsbeschränkung weiterhin im Raum. In einem Gespräch mit dem Antragsteller galt es auszuloten, ob sein ursprünglicher Antrag mit der nun entschiedenen Streichung der beiden Poller erfüllt sei. Wenig überraschend wurde dies verneint.
Stadtrat in der Pflicht, den Bürgerwillen umzusetzen
Der Stadtrat musste den deutlichen Entscheid der Bürgerversammlung bewerten und entscheiden, in welcher Form der geäusserte Bürgerwille umzusetzen sei. Dies entspricht keinem Missbrauch der Demokratie, sondern ist vielmehr Grundlage einer funktionierenden Demokratie. Es ist Aufgabe und Pflicht des Stadtrates, den an der Bürgerversammlung geäusserten Willen ernst zu nehmen und umzusetzen. Der Stadtrat kam zum Schluss, dass der Wille des Antragsstellers – keine Verkehrsbeschränkung und keine Aufhebung von Parkplätzen – den Teilnehmenden der Bürgerversammlung offenkundig war. Auch wenn lediglich über die Poller abgestimmt wurde, so muss aufgrund dessen angenommen werden, dass die Mehrheit der Bürgerschaft auch die verkehrlichen Massnahmen ablehnt. Der Stadtrat entschied deshalb, die Auflage der geplanten temporären Verkehrsbeschränkung zurückzuziehen.
A plus führt weiter ins Feld, dies sei rechtlich nicht durchsetzbar, da die Bürgerschaft an der Budgetversammlung 2021 die zeitweise Sperrung der Marktgasse im Rahmen des Massnahmenpakets «Altstadtentwicklung» bereits gutgeheissen habe. Auch hier irrt sich a plus. An der Bürgerversammlung am 25. November 2021 hat die Bürgerschaft dem Massnahmenpaket im Grundsatz zugestimmt. Dieses enthält auch die «Einführung eines Pilotprojektes für den Bereich Frauenhof: Platzfunktion im Sommerhalbjahr 2022» (vgl. Budgetbericht 2022, S. 71). Die Bürgerschaft hat also lediglich die Pilotierung der Massnahme im Jahr 2022 bewilligt. Die beantragten Poller zur endgültigen Umsetzung der Massnahme hat die Bürgerschaft nun mit dem Budget 2023 abgelehnt.
Bürgerschaft könnte auf den Entscheid zurückkommen
Die Vereinigung a plus wirft dem Stadtrat vor, fundamentale demokratische Grundwerte zu verletzen und Missbrauch an der direkten Demokratie zu betreiben. Dies weist der Stadtrat entschieden zurück. Entgegen den Aussagen von a plus war die Absicht des Antragsstellers an der Bürgerversammlung offensichtlich, wurde der Antragsteller nach der Bürgerversammlung lediglich zur Klärung eines Sachverhalts eingeladen und hat die Bürgerschaft die Massnahme zur zeitweisen Sperrung am Ende der Marktgasse nur für ein Pilotprojekt im Jahr 2022 gutgeheissen. Dem Stadtrat liegt daran, den Willen der Bürgerschaft umzusetzen – auch wenn er selber eine andere Ansicht vertritt. Das ist gelebte Demokratie.
Die direkte Demokratie erlaubt es allen Bürgerinnen und Bürgern ihre Anliegen einzubringen. So besteht die Möglichkeit, an der nächsten Bürgerversammlung einen Antrag für die erneute Budgetierung der Poller – und damit implizit für auch temporäre Verkehrsbeschränkungen – zu stellen. Demokratie ist kein Zustand, sondern vielmehr ein laufender Prozess.
Stadtrat Altstätten