Maya Schmid-Egert«Die besondere Begegnung», zwar nur drei Wörter wie andere auch, für sechzig Jugendliche aber die Saat, um ihre Fantasie blühen zu lassen. So viele Zwölf- bis Zwanzigjährige nahmen am vierten Bleiwiis-Wettbewerb teil. Wie artenreich und bunt der literarische Garten im Tal ist, davon konnten sich Geschichtenliebhaber in der vom Diogenes-Theater organisierten «Lesenacht» überzeugen. Sechzehn Schreibtalente hatten den Mut, ihre Texte vor Publikum vorzulesen, teils mit noch etwas zittriger Stimme, war die Lesung doch für viele eine Premiere, aber immer mit Hingabe und Überraschungsmomenten. Die Zuhörenden honorierten zwei Stunden spannende, auch witzige Fiktion mit konzentriertem Zuhören bis zur letzten Silbe. Sätze, die literarisches Talent beweisen«Wie bist du auf diese Idee gekommen?», war die meistgestellte Frage des Abends, gestellt von Conférencier und Jurymitglied Matthias Flückiger. Dies fragte man sich auch beim Siegertext von Alice Köppel, Diepoldsau, die in ihrer Kategorie auch den Publikumspreis holte. Sie erzählt über eine surreale Begegnung mit ihrem zukünftigen Ich, die durch den Gang durch ein Kühlschrank-Portal möglich wird und in der Erkenntnis über den eigenen Berufsweg mündet.Die Erstplatzierte in der älteren Kategorie, Alexandra Benz, Berneck, beschreibt die filmreife Begegnung zwischen Spiesser Anthony King und dem schrägen Aliens-Sucher Doc Brown, die im Vorsatz endet, «nie wieder eine XXL-Portion Popcorn zu essen». Den Publikumspreis in dieser Kategorie sicherte sich Rebekka Künzler aus St. Margrethen. Ihre Auseinandersetzung mit dem inneren Ich ist philosophisch und feinsinnig, Sätze wie «Im Zwiespalt, nein, im Rissnetz der Möglichkeiten irre ich umher» lassen aufhorchen. Generell staunte man über das gezeigte Handwerk. Der berühmte erste Satz, der bekanntlich über das Schicksal eines jeden Textes, der immer zu Ende gelesen werden will, entscheidet, sass bei allen. So eröffnete eine der beiden Zweitplatzierten der gleichen Kategorie (eine Ausnahme, weil es in der höheren nur zwei Kandidatinnen, aber drei Preise gab), Jamie Iris Szabo aus Rebstein, mit: «1735: Schmerz durchzuckte meinen Körper, als mein Bruder Rick mir in den Hals biss.» Die Gleichplatzierte Angelina Frühwirth, Lüchingen, rundete ihre raffinierte, an Ötzi erinnernde Geschichte gekonnt mit der Wiederholung des ersten Satzes ab: «Und wieder spürte ich diese Kälte.» Den dritten Preis erhielt Mia Huber, Rüthi. Sie überzeugte mit ihrer Geschichte, die zwar verstörend startet, indem der Protagonist sich eines Morgens auf einer verlassenen Brücke wiederfindet, sich dann aber in einen fröhlich anmutenden Tanz im Herbstregen wendet – oder doch nicht? Wie bei Bleiwiis üblich, das nach einer Pause neu unter dem Patronat des Diogenes-Theaters steht, werden die Siegertexte und mehr, insgesamt 22, in einem Buch gedruckt. «Cornflakes, Aprikosenquarkkuchen und andere Begegnungen» ist ab sofort im lokalen Buchhandel erhältlich.