18.02.2020

Beachtliche Resultate, aber auch Defizite

Mit zwei Medaillen an Schweizer Meisterschaften hat der Lüchinger Anschieber Marco Tanner seine zufriedenstellende Bobsaison beendet.

Von Yves Solenthaler, St. Moritz
aktualisiert am 03.11.2022
Die Terminsetzung für die nationalen Meisterschaften der Bob- und Skeletonsportler wird von vielen Sachzwängen  erschwert. Einen festen Termin im Weltkalender, wie ihn die Radfahrer oder Skifahrer kennen, gibt es dafür nicht – und in der Schweiz nur die eine Bahn, die nur etwa zwei Monate geöffnet ist, weil sie weltweit die einzige aus Natureis ist.Das letzte Wochenende schien geeignet: Auf den gleichzeitig stattfindenden letzten Weltcup und die Zweierbob-EM in Lettland könne verzichtet werden. Dann hatte aber Michael Vogt mit dem kleinen Schlitten überraschend Chancen auf einen Podestplatz in der Weltcupgesamtwertung – und der formstarke Simon Friedli reiste mit an die Bahn in Sigulda, wo er das Europacuprennen gewonnen hatte.Mit dem Resultat, dass Friedli die EM-Silbermedaille gewann. Vogt konnte indes seine gute Ausgangslage im Weltcup nicht nutzen. Viele aufstrebende Talente im Schweizer BobsportSo war das Teilnehmerfeld an den Schweizer Meisterschaften 2020 nicht ganz so werthaltig wie gewünscht – allerdings aus dem erfreulichen Grund, dass die Schweizer Bobpiloten in der Saison 2019/20 erfolgreicher fuhren, als gemeinhin von ihnen erwartet wurde.Die Aspiranten Michael Kuonen, Cedric Follador sowie Timo Rohner und ihre Teams erkannten allerdings im Zweierbob, dass sie noch einen langen Weg vor sich haben: Der als Spitzensportler seit zwei Jahren zurückgetretene Beat Hefti dominierte die Konkurrenz. Mit dem Olympiasieger-Bob von 2014 nahm der 42-Jährige aus Herisau allen anderen schon im ersten Lauf 0,40 Sekunden und mehr ab. Titelverteidiger Michael Kuonen und sein 25-jähriger Anschieber Marco Tanner mussten die Goldaussichten früh begraben, weil sie weit oben – im Naish-Dixon – fast gestürzt waren. Der zweite Lauf gelang dem Walliser Piloten etwas besser, aber auch nicht wirklich gut. Und Tanners immer noch vorhandene Rückenschmerzen – «am Freitag hätte ich nicht starten können» – hatten Einfluss auf die Startzeit: Hefti und Schläpfer waren auch auf den ersten Metern die Schnellsten. «Dass Hefti so gut fuhr, war nach den Trainings keine Überraschung», sagt Tanner, «um bestehen zu können, hätten wir am Start wohl 15 Hundertstel rausholen müssen.»Hefti war im Total 0,85 s schneller als Kuonen, der nur 4 Hundertstel hinter Follador mit der Bronzemedaille vorliebnehmen musste.Auch am Sonntag mit dem Viererbob erfüllte sich Tanners Goldtraum nicht. Mit Pilot Kuonen sowie Marco Dörig und Kai Tedeschi war er am Start der Schnellste – 0,01 s vor Schweizer Meister Timo Rohner & Co. Aber im ersten Lauf touchierte Kuonen gleich danach die Banden und verlor bis zur nächsten Zwischenzeit – in einer Passage, in der man eigentlich keine Zeit einbüssen kann – mehr als den ganzen Rückstand von 7 Hundertstelssekunden, den Kuonen & Co. nach zwei Läufen von Sieger Rohner trennte. «Dort liegt unsere Goldmedaille begraben», sagte Tanner nach dem Gewinn der Silbermedaille. Abgesehen von diesem Malheur waren Kuonens Fahrten mit dem grossen Schlitten aber wesentlich besser als mit dem Zweierbob am Tag zuvor.Konstante Zweierbob-Saison mit Highlight St. MoritzIm Viererbob war auch das erste Rennen der Saison gut – dritter Platz im Europacup in Lillehammer. Aber konstanter waren Kuonen/Tanner mit dem kleinen Schlitten: Im Europacup verpassten sie zwar zweimal das Podest sehr knapp, legten aber mit ausschliesslich Rängen zwischen vier und sieben eine grosse Konstanz an den Tag. Als Lohn gab es den Weltcup-Einsatz in St. Moritz – eines der Saisonziele. Dort resultierte der respektable elfte Rang – und, gerade für Anschieber Tanner wertvoll, die viertbeste Startzeit im ersten Lauf. «Ich bin zufrieden mit der Saison. Wir sind auf dem richtigen Weg», sagte Tanner. Er meint damit sich – und das Team Kuonen, für das er auch nächste Saison antreten dürfte, «aber wir haben auch gesehen, dass wir uns noch verbessern müssen.» Kuonen muss in seiner dritten Saison als Pilot an Sicherheit gewinnen, athletisch können sich alle im Team weiter verbessern.  Von den Schweizern, die zu Beginn der Saison im Europacup gestartet waren, haben sich die Teams Friedli (im Zweier-) und Rohner (im Viererbob) vorläufig in den Vordergrund gefahren. Aber die Differenz ist nicht so gross, dass die Reihenfolge in Stein gemeisselt wäre. Nächste Saison wird sich der Konkurrenzkampf zuspitzen, weil die Olympischen Spiele 2022 nahen. Dort zu starten, ist das Ziel von allen der vielen aufstrebenden Piloten und auch für die – gemessen an der Pilotenzahl – etwas weniger zahlreichen Anschiebern. Auch von Marco Tanner; er wird nun seinem Körper (und vor allem seinem Rücken) etwas Ruhe gönnen. Aber nicht lange: «Ende März fange ich mit den Vorbereitungen auf nächsten Winter an.»

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.