06.08.2020

Baustelle Oberstufe: Schulleiter Loser weicht dem Druck

Nach dem Aufstand der Eltern ziehen Lehrer nach: Der Schulleiter in Rheineck sei untragbar. Jetzt geht er überraschend. Der Primarschulleiter führt neu auch die Oberstufe.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Vor einem Jahr hatten sich Eltern der Oberstufe Rheineck über die Art der Führung beim Kanton beschwert. Tatsächlich sei es zu Verstössen gegen das Volksschulgesetz bzw. die Verordnung über den Volksschulunterricht gekommen, befand ein knappes halbes Jahr danach das Amt für Volksschule. Dass kein Besuchstag stattgefunden hatte, führte zu einer aufsichtsrechtlichen Rüge, und im Absenzenwesen «wurden die Vorschriften verletzt», was aber «nicht primär und allein» der Schulleitung anzulasten sei.Der Schulpräsident hatte vertrauliche Post der Eltern nicht nur dem Schulrat, sondern auch dem Schulleiter weitergeleitet. Der Kanton wies «aufsichtsrechtlich mit Nachdruck» darauf hin, dass aus Datenschutzgründen nur Personen mit Informationen zu bedienen seien, wenn sie auf diese zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe angewiesen seien.Lehrer «hielten es nicht mehr aus»Gregor Loser wirkt seit zwei Jahren als Schulleiter. In dieser Zeit verliessen elf Lehrkräfte Rheinecks Oberstufe. Schulpräsident Oscar Kaufmann erklärt, zu den personellen Wechseln sei es teils durch Pensionierung gekommen, durch die Beendigung befristeter Arbeitsverhältnisse und durch Kündigungen. Aus Lehrerkreisen tönt es so: Entweder seien Differenzen und sogenannt einvernehmliche Kündigungen (in Kombination mit Schweigeklauseln) der Grund gewesen - oder Lehrerinnen und Lehrer seien gegangen, weil sie es «nicht mehr ausgehalten» hätten.Die elf Abgänge sind eine hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass insgesamt sechs bis acht Hauptlehrer für sechs Klassen tätig sind. An der Vorversammlung hätten die drängenden Themen zur Sprache gebracht werden sollen, doch wegen Corona entfiel diese Möglichkeit. Zufrieden mit dem Arbeitgeber, heisst es, seien an Rheinecks Oberstufe gerade mal zwei oder drei Lehrerinnen und Lehrer. Vordergründig jedenfalls. Die Schulbürgerschaft bezahle in Rheineck «viel Geld für ein marodes System».Sechster Klassenlehrerfür 3.-Sek-KlasseEine Klasse hatte in drei Jahren acht Mathelehrer, und eine 3.-Sek-Klasse begrüsst zu Beginn des neuen Schuljahres bereits den sechsten Klassenlehrer. Der Schulpräsident meint dazu, die Schulkommission bedauere diesen Umstand ausserordentlich. Letztlich liege es nicht allein an der Schulkommission, ob ein Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde oder nicht. Es bestehe beidseitig Kündigungsfreiheit. «In der Regel verlassen verantwortungsvolle Lehrpersonen eine Schule, wenn sie einen Klassenzug zu Ende geführt haben», hält Oscar Kaufmann fest.Sechs der elf enttäuschten Lehrerinnen und Lehrer haben sich vor Kurzem mit der Redaktion getroffen, unter ihnen Stephan Naef, Vreni Berchtold, Martin Gsell und Margrith Wäger. Von Stephan Naef hat die Schule sich (nach 34 Jahren) einvernehmlich getrennt, Vreni Berchtold ging nach 21 Jahren in Frühpension, Martin Gsell hielt es nach drei Jahren nicht mehr aus, und Margrith Wäger ging schon letzten Sommer, nach 19 Jahren, sie wäre sonst «krank geworden an dieser Schule». Das Problem ist so gross geworden, dass Eltern beliebten Lehrkräften schweren Herzens sagten, sie verstünden, wenn sie gingen. Zudem gibt es vereinzelt Eltern, die die Kinder nach St.Gallen in die Schule schicken.Lehrer: «Hätten uns früher zu Wort melden sollen»Die sechs Lehrkräfte – und andere, die aus verschiedenen Gründen dem Gespräch nicht beiwohnen konnten – geben sich selbstkritisch. Im Rückblick bedauern sie, nicht schon vor einem Jahr an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Damals hätten sie sich nicht zu Wort gemeldet, weil sie gedacht hätten, die breit abgestützten Beschwerden von Eltern genügten und brächten die ihres Erachtens dringend nötige Veränderung an der Führungsspitze. Immerhin war ausserdem die Kriseninterventionsgruppe eingeschaltet. Aber der Schulleiter sei seltsamerweise gedeckt worden, und nichts habe sich geändert.Erstaunlich sei auch, dass die Schulkommission – der Spannungen zum Trotz – nie das Gespräch mit den Lehrkräften gesucht habe. Dem widerspricht Oscar Kaufmann. Verschiedene Mitglieder der Schulkommission seien immer wieder im Gespräch mit Oberstufenlehrpersonen gewesen, entgegnet er. Diese hätten stets die Möglichkeit gehabt, ihre Anliegen bei der Kommission zu deponieren.Kritik am Schulleiter fällt heftig ausDie Kritik an Schulleiter Gregor Loser fällt heftig aus. Er pflege einen diktatorischen Führungsstil, fühle sich schon wegen harmloser Anregungen angegriffen und sei in schulischen Belangen inkompetent. Weder Teamführung noch Teambildung gebe es an Rheinecks Oberstufe, der Schulleiter vertrage nur ein Team von Ja-Sagerinnen und Ja-Sagern und blinden Gehorsam, lautete die Darstellung der enttäuschten Lehrkräfte im Gespräch mit unserer Zeitung . «Er will gar kein Team», folgerten die Lehrer, «ein Team wäre zu stark». Gregor Loser hatte Gelegenheit, sich zu dieser Einschätzung zu äussern, worauf er «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes von Lehrpersonen sowie des Amtsgeheimnisses» verzichtete.Damit der «unhaltbare Zustand» habe fortbestehen können, seien Ermahnungen ausgesprochen und Maulkörbe verhängt worden, sagen die ehemaligen Lehrkräfte – und jemand fügt hinzu: «Wir waren schlicht zu feige, hätten uns längst zu Wort melden sollen». Die scharfe Kritik richtet sich auch gegen die Schulkommission, weil diese den aus Sicht der enttäuschten Lehrkräfte unhaltbaren Zustand nicht längst beendet habe.«Oberstufe bedeutenden Schritt vorwärts gebracht»Letzten Sommer hatte Schulpräsident Oscar Kaufmann gesagt, Gregor Loser sei «bestens qualifiziert». Losers anfängliches 35-Prozent-Pensum war bald auf 45 Prozent erhöht worden. In der aktuellen Medienmitteilung (siehe «Primarschulleiter führt auch Oberstufe») wird Gregor Losers Arbeit gewürdigt: Er habe «wichtige Impulse bei der pädagogischen, strategischen und personellen Neuausrichtung der Oberstufe Rheineck gesetzt» und mit seinem «grossen Engagement» die Oberstufe «einen bedeutenden Schritt vorwärts» gebracht. --------------------------------------------------------------------------------------------------Primarschulleiter führt neu auch die OberstufeUnsere Zeitung hat sich am Dienstag Nachmittag mit je einem E-Mail an den Schulpräsidenten und an den Schulleiter gewandt. Es ging darum, Ihnen Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. 23 Stunden später kamen von Schulpräsident Oscar Kaufmann die Antworten auf einige Fragen und eine Medienmitteilung mit Sperrfrist bis Donnerstag, 18 Uhr.In dieser Mitteilung wird bekanntgegeben, dass «zum heutigen Zeitpunkt unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die weitere Entwicklung der Oberstufe Rheineck bestehen», weshalb Gregor Loser die Schule Rheineck per Ende August in gegenseitiger Absprache verlasse. Stadtrat und Schulkommission «anerkennen den unermüdlichen Einsatz von Gregor Loser und seine hohe zeitliche Flexibilität» im Rahmen der Teilzeitanstellung als Schulleiter und «wünschen ihm beruflich und privat alles Gute».Die Führungsaufgaben der Oberstufe «werden bis auf Weiteres interimsweise durch den Primarschulleiter übernommen», also Thomas Kurer. Er sei mit den Abläufen und anstehenden Aufgaben der Schule Rheineck vertraut und ist bereit, die Doppelfunktion als Schulleiter der Primarschule und der Oberstufe anzunehmen. Dies habe zur Folge, dass marginale interne Änderungen in der Organisation vorgenommen werden müssten, heisst es in der Medienmitteilung. Und weiter: «Die aktuellen Strukturen der Oberstufe Rheineck bedürfen einer umfassenden Neubetrachtung.» Der Grund seien die sehr tiefen Schülerzahlen mit etwas mehr als 70 Lernenden. Der bisherige Schulbetrieb könne in der bisherigen Form nicht dauerhaft fortgeführt werden.Die Schulkommission «wird im Verlauf des Schuljahres gemeinsam mit den Lehrpersonen und einem auf diesem Gebiet spezialisierten Unternehmen ein neues Oberstufenmodell erarbeiten», heisst es. Ab wann es zum Tragen kommt, sei noch offen. Sobald erste Ergebnisse vorlägen, werde die Bevölkerung über mögliche zukünftige Strukturen informiert.

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