15.08.2021

Balgach hat erneut den tiefsten Steuerfuss

54 von 77 St. Galler Gemeinden haben in den vergangenen zwei Jahren den Steuerfuss gesenkt: Wartau liegt mit 160 Prozent am Schluss. Die Rheintaler Gemeinden liegen weit vorn.

Von Christoph Zweili
aktualisiert am 03.11.2022
Den St. Galler Gemeinden geht es gut. So gut, dass keine der 77 Kommunen im laufenden Jahr ihren Steuerfuss erhöht, im Gegenteil: Scheinbar noch unberührt von den Folgen der Pandemie wie steigenden Arbeitslosenzahlen und Sozialhilfeausgaben haben 54 der 77 Gemeinden innert zwei Jahren ihren Gesamtsteuerfuss gesenkt. Im laufenden Jahr sind es 15 Gemeinden, die ihren Steuerfuss nach unten angepasst haben, wie aktuellste Zahlen aus dem kantonalen Steueramt zeigen.Auch wenn sie mit einer Steuerkraft von 1906 Franken pro Einwohner (2020) nicht zu den finanzkräftigsten im Kanton gehört: Die Toggenburger Gemeinde Lütisburg macht mit einer Senkung von 125 auf 115 Prozentpunkte beim Gesamtsteuerfuss im laufenden Jahr den grössten Sprung. Die Gemeinden Balgach, Diepoldsau, Grabs, Hemberg, Rebstein, Rorschach und St. Margrethen senken ihre Steuerfüsse um je fünf Prozentpunkte. Degersheim, Gommiswald und Pfäfers gehen um drei Prozentpunkte runter – Berg, Berneck, Jonschwil und Muolen um je zwei.Wartau: Tiefe Steuerkraft und hoch verschuldetDie kapitalkräftige und schuldenlose Rheintaler Weingemeinde Balgach führt erneut das Kantonsranking an. Mit einer Steuerkraft von 4941 Franken pro Einwohner im Jahr 2020 (Vorjahr 4403 Franken) und nach einem Ertragsüberschuss von neun Millionen Franken hat sie den Steuerfuss im laufenden Jahr um weitere fünf auf 67 Prozentpunkte gesenkt. Mörschwil (Steuerkraft pro Einwohner 4553 Franken, Vorjahr 4649) auf dem zweiten Platz bleibt mit 75 Prozentpunkten seit vier Jahren konstant. An dritter Stelle folgt seit drei Jahren Rapperswil-Jona (4495 Franken pro Kopf, 2019: 4633 Franken) mit 76 Prozentpunkten. Widnau, punkto Steuerkraft mit 2991 Franken (2019: 2967 Franken) im Kanton nur auf dem 12. Rang, steht bei den Steuerfüssen ebenfalls an dritter Stelle.Am anderen Ende der Skala steht die dezentral angelegte 7-Dörfer-Gemeinde Wartau im Wahlkreis Werdenberg. Mit 5295 Einwohnern (2019) am Fusse des Gonzen gelegen, ist die Kommune flächenmässig sechsmal so gross wie Balgach. Bei der Steuerkraft liegt sie mit 1920 Franken an 68. Stelle im Kanton – 743 Franken unter dem kantonalen Mittel von 2663 Franken pro Kopf (Vorjahr 2622 Franken) und 2,6 mal tiefer als Balgach. Die Steuererträge von juristischen Personen sind mit 609 215 Franken tief, Erträge aus technischen Betrieben gibt es aufgrund der eigenständigen Dorfkorporationen  keine.Bedingt durch hohe Investitionen im lange vernachlässigten Bereich Schulraum und Bildung, nachgeholt aus den 1990er-Jahren, hat die Gemeinde eine hohe Nettoschuld von 3820 Franken pro Einwohner angehäuft, sagt Gemeindepräsident Andreas Bernold. Der Abbau der Verschuldung habe daher oberste Priorität. Bernold sagt: «Eine noch höhere Ver- schuldung konnte nur dank des hohen Steuerfusses vermieden werden.»Trotz eines satten Ertragsüberschusses von 5,2 Millionen Franken 2019 und eines Reingewinns von drei Millionen Franken im vergangenen Jahr bildet die Werdenberger Gemeinde beim Steuerfuss mit 160 Prozentpunkten das Schlusslicht im Kanton. Bis und mit dem Jahr 2018 hatte die Gemeinde Degersheim den höchsten Steuerfuss im Kanton, seit 2019 ist es Wartau. Das Fazit: Die Gemeindesteuern in der steuergünstigsten Gemeinde des Kantons sind erneut weniger als halb so hoch wie in der Gemeinde mit der höchsten Belastung.Die Frage sei erlaubt: Ist es ein Webfehler im Gesetz, dass auch die vermögende Stadtgemeinde Rapperswil-Jona – mit einem Ertragsüberschuss von rund 16,5 Millionen Franken, einer Steuerkraft von 4495 Franken pro Einwohner (2020) und einem Selbstfinanzierungsgrad von 254 Prozent (2019) als eine der zehn finanzstärksten Gemeinden im Kanton von kantonalen Finanzausgleichsbeiträgen profitiert? Die mit 27 481 Einwohnern zweitgrösste Gemeinde im Kanton St. Gallen erhält im laufenden Jahr einen sogenannten «soziodemografischen Sonderlastenausgleich» von knapp 300'000 Franken.Die Erklärung für diesen Effekt ist in der Botschaft zum II. Nachtrag zum kantonalen Finanzausgleichsgesetz von 2013 zu finden: Anders als bei den übrigen Instrumenten im kantonalen Finanzausgleich gibt es demnach beim soziodemografischen Sonderlastenausgleich «keinen Kürzungsmechanismus». Auch der Gemeinde Au auf dem zehnten Rang bei der Steuerkraft im Kanton steht daher der volle Betrag von 55 000 Franken beim «soziodemografischen Sonderlastenausgleich» zu.Anders bei den übrigen Instrumenten des kantonalen Finanzausgleichs – dem Ressourcenausgleich, dem Sonderlastenausgleich Weite, dem Sonderlastenausgleich Schule und dem Sonderlastenausgleich Stadt. Hier müsste der Mittelwert der technischen Steuerkraft 2018/2019 der entsprechenden Gemeinde um mindestens 20 Prozent über dem kantonalen Durchschnitt liegen, damit eine Kürzung wirksam wird, heisst es beim zuständigen Kantonsamt. Das heisst im Klartext: Auch die gut situierten Gemeinden Diepoldsau (Rang 18 bei der Steuerkraft) und Widnau (Rang 12) profitieren je von 548000, beziehungsweise 26000 Franken vom Steuerausgleich im Bereich Schule.Wesentlich höhere Beiträge erhalten allerdings die Gemeinden mit den höchsten Steuerfüssen – allen voran die Stadt St. Gallen (141 Prozentpunkte) mit 34 Millionen Franken. Der Betrag im laufenden Jahr resultiert aus dem soziodemografischen Sonderlastenausgleich im Bereich Familie und Jugend, Sozialhilfe und stationäre Pflege (17,85 Millionen Franken) und dem Sonderlastenausgleich Stadt (16,17 Millionen). Weil die Gemeinde in allen drei Bereichen stark überdurchschnittlich belastet ist, hat sie Anrecht auf entsprechend hohe Beträge.Steuerkraft nimmt seit 2004 kontinuierlich zuSeit 2004 hat die Steuerkraft pro Einwohner bis 2019 im Kanton kontinuierlich zugenommen – im Total der 16 Jahre um 34,1 Prozent. Mit 2806 Franken ist die durchschnittliche Steuerkraft im Wahlkreis See-Gaster am höchsten, gefolgt von den Wahlkreisen Rorschach (2780) und St. Gallen (2710), am niedrigsten ist sie mit 1885 Franken im Toggenburg.Der Steuerfuss aller Gemeinden ist – gewichtet nach Steuerkraft – in den vergangenen fünf Jahren um 13 Prozentpunkte zurückgegangen, in den vergangenen zehn Jahren um 32,6 Steuerfussprozente. Dem gegenüber hat sich der Steuerfuss des Kantons in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozentpunkte erhöht, heisst es beim Amt für Gemeinden und Bürgerrecht.

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