Mit zehn Jahren ruderte Urs Wildisen mit dem Gummiboot auf dem Hallwilersee. Mit einem Scheibenwischermotor und einer Autobatterie hat er die erste Schiffsschraube selbst gebaut – aus einem verdrehten Aluminiumblech. Als 15-Jähriger begann er die Ausbildung an der Schifferschule in Basel. Während der dreijährigen Lehre entdeckte er die Liebe zur Schifffahrt; er bildete sich weiter bis zum grossen Kapitänspatent auf dem Rhein.Damals schon hatte er ein Ziel: Er wollte eine eigene Yacht bauen und den Lebensabend auf Flüssen und Kanälen Europas verbringen. Wie ein Schiff gebaut wird, wusste er. In seiner Lehrzeit als Binnenschiffer und während seiner Schifferkarriere hatte er immer wieder Gelegenheit, auf Werften zu arbeiten und sich viele Tricks abzuschauen. 2011 begann er mit der Planung, im April 2014 hat er die ersten Spanten ausgeschnitten und 2015 begannen dann die Arbeiten auf grüner Wiese zwischen Elektro Oehler und der Firma Fehér AG in Balgach. Diesen Sommer wollte er sein Schiff zu Wasser lassen. Doch auch ihm hat Corona einige Probleme beschert, sodass er dem Zeitplan um fünf Monate hinterherhinkt. Seine Helfer, die meisten über 65, waren alle in Quarantäne und auch das Material wurde später geliefert.Doch nun gehen die Arbeiten zügig voran. Der Innenausbau soll bis Weihnachten fertig sein. Anfang März möchte Urs Wildisen sein Schiff nach Staad transportieren und im Bodensee zu Wasser lassen. «Es wäre optimal, die ersten Testfahrten in ruhigen Gewässern zu machen», sagt er. Im Spätherbst möchte er das Schiff dann nach Basel transportieren und mit der Jungfernfahrt über Rhein, Main und Donau bis nach Wien fahren. Weihnachten und Silvester 2021 würde er gern in Wien verbringen.Wie es dann weitergeht, plant er heute noch nicht. Während der Wintermonate will er in Basel als Ausbildner für die Berufsschifffahrt arbeiten. Sein Haus in Rehetobel möchte er vermieten – und solange seine Gesundheit es zulässt, die Zeit nur noch auf den Flüssen und Kanälen Europas verbringen.Rund eine halbe Million Franken wird ihn sein selbst gebautes Schiff kosten. Mit 150 PS soll es eine Leistung von 20 Stundenkilometern erreichen, wobei bis zehn Kilometer pro Stunde elektrisch gefahren werden kann. Auf der ganzen Länge des Dachs wird dafür eine 14 Kilowatt starke Solaranlage montiert.Auch die Inneneinrichtung kann sich sehen lassen: Zwei Gästekabinen, die Kapitänskajüte, Kochbereich, Nasszellen mit Duschen und WC, ein grosser Aufenthaltsraum mit Fernseher und ein Cheminéeofen. Für das Trinkwasser sind bereits zwei Wassertanks mit je 2000 Liter Inhalt eingebaut, genauso wie ein 4000-Liter-Abwassertank im Maschinenraum.Bis jetzt hat er 21 Tonnen Stahl verbaut und 22 Kilometer Schweissnähte verschweisst. Mit seinen Helfern hat er 2540 Stunden gearbeitet. «Ich bezahle meine Helfer mit Naturalien», sagt er. Pro Arbeitstag dürfen sie zwei Tage mit ihm auf dem Schiff mitfahren.Während der Bauzeit hat sich Urs Wildisen den Finger gebrochen, beim Schweissen bekam er dreimal die Schweissblende, einige blaue Flecken und diverse Narben.Wer Interesse hat, das Schiff zu besichtigen, hat am Wochenende vom 26. bis 27. September im Rahmen einer «Ufrechti» dazu die Möglichkeit.