10.08.2022

Bahnhof auf geschenktem Boden

Es ist einem Geschenk zu verdanken, dass Heerbrugg einen Bahnhof hat. Er befand sich einst auf Höhe des Restaurants Pöstli (früher: Restaurant Post).

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Sechs Jahre vor der Eröffnung im Jahr 1858 begann das Ringen um den Standort. Der Heerbrugger Bahnhof dient ja mehreren Gemeinden: Berneck, Widnau, Diepoldsau und Balg­ach. Während Balgach einen Bahnhof im Mühlacker wollte, waren die drei anderen Gemeinden für Heerbrugg als Standort.Der Entscheid zugunsten von Heerbrugg wurde massgeblich durch ein Geschenk Karl Völkers (1796 bis 1884) begünstigt. Der als Turnvater bekannte deutsche Einwanderer und spätere Altstätter Bürger schenkte der Gemeinde Au-Heerbrugg den für den Bahnhof nötigen Boden. Karl Völker war ab 1833 Eigentümer von Schloss Heerbrugg, führte hier während ei­nes Jahrzehnts eine Privatschule und errichtete 1856 am Fuss des Schlossbergs eine Ziegelei. Er wirkte auch als Redaktor, politisierte als liberal-demokratischer Kantonsrat, Erziehungsrat und Bezirksgerichtspräsident und betätigte sich nebenher als Bauer, Weinbauer, Seidenraupen- und Schafzüchter.Aufschwung dank Bahnhof, Tram und Landreserven Als der Heerbrugger Bahnhof gebaut wurde, befand er sich abseits der Dörfer. Die Bernecker unterstützten den Standort, nachdem sie von den Auern ausgestochen worden waren. So erhielt der abwertend als Schollen- oder Wasserloch bezeichnete Ort früh seinen Bahnhof, der massgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung beitrug. Dank des Bahnhofs, eines bald in verschiedene Richtungen verkehrenden Trams und grosser (mit der Melioration nutzbar gemachten) Baulandreserven entwickelte sich der Ort zu einem der wichtigsten Schweizer Industriestandorte, über den das «St. Galler Tagblatt» am 26. Juli dieses Jahres schrieb: «Ohne ihn wäre der Kanton St. Gallen nicht viel und hätte die Schweiz nicht so früh in die Welt hinausgestrahlt. Dabei hat Heerbrugg, anders als vergleichbare englische oder deutsche Industrie­orte, noch nicht mal einen Fussballklub und gibt es den Ort politgeografisch nicht: Er gehört zerstückelt den Gemeinden Au, Balgach, Berneck und Widnau.» Wobei die Aussage über den Fussballklub nur halbwegs korrekt ist: Einer der zwei Vorgängervereine des heutigen FC Au-Berneck 05 nannte sich bis vor 17 Jahren FC Au-Heerbrugg.[caption_left: Später rückte der (deutlich grössere) Bahnhof Richtung Norden.  Bild: Sammlung Gino-Enrico Kaufmann]1981 bekam der Ort eine BahnunterführungDas Dienstgebäude stand beim ehemaligen Bahnübergang ge­genüber dem Restaurant Post und somit in der Nähe des (vom bekannten Architekten Johann Labonté) 1911 erbauten Heerbruggerhofes. 1928 wurde das alte Bahnhofsgebäude ersetzt. Der Marktplatz daneben wurde für Viehmärkte und für den Verlad regionaler landwirtschaftlicher Produkte genutzt.Als Ersatz für den Bahnübergang wurde die 1981 eröffne­te Bahnunterführung gebaut. Nicht alle Einwohner waren glücklich über diese Bahnunterführung und hätten es lieber gesehen, wenn die Bahn auf einem Teilstück unter den Boden verlegt worden wäre.[caption_left:Ein Bild, wie es nur während einer kurzen Zeitspanne gemacht werden konnte: Der alte (links) und der neue (ganz rechts) Bahnhof von Heerbrugg mit dem alten Güterschuppen dazwischen vor dem Heerbruggerhof. Die Aufnahme entstand im Oktober 1928, als der neue Bahnhof in Betrieb genommen wurde. (Bild: Sammlung Walter Schedler)]

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