Im Mittelrheintal ist der Fortbestand namhafter Traditionsfirmen gesichert: Balgachs Beck Eschenmoser und die Widnauer Backstube wurden von nachgerückten Familienmitgliedern übernommen, andere Backprofis (z. B. Dörig in Diepoldsau/Widnau) sind von der Pensionierung noch Jahre entfernt oder haben einen Nachfolger (z.B. der Diepoldsauer Rhyinsel-Beck Daniel Weder, dessen 29-jähriger Sohn Fabian Interesse an einer Geschäftsübernahme hat). Im oberen Rheintal ist die Zukunft verschiedener Backstuben hingegen ungewiss. In Altstätten haben Markus und Susanne Hautle den Laden am 3. Oktober geschlossen; jemand, der ihn übernimmt, wird immer noch gesucht, das Haus steht zum Verkauf. Susanne Hautle sagt, der Versuch einer Nachfolgeregelung habe sich über Jahre erstreckt, leider erfolglos. Mittlerweile sei die Zuversicht etwas gewichen.
[caption_left: Die Bäckerei Hautle in Altstätten ist seit Anfang Oktober geschlossen; auf eine
Übernahme wird immer noch gehofft.]Altstadt kein idealer Ort für eine BäckereiEine weitere Altstätter Bäckerei (einst Lichtensteiger, dann Haller und heute unter dem gleichen Namen eine Filiale des Eichberger Holzofabecks Hanspeter Graf) ist zwar nicht akut gefährdet, weshalb der 55-jährige, auch im Tourismus tätige Hanspeter Graf entspannt nach vorne blickt. Er sieht aber mittel- und längerfristig für eine Bäckerei inmitten der Altstadt höchstens noch eine Zukunft als Filialbetrieb.Schon heute wird das Altstätter Haller-Sortiment grösstenteils in Eichberg gebacken, wogegen die kalten Produkte in Altstätten entstehen.Für eine eigentliche Bäckerei hält Hanspeter Graf die Altstadt aus einer ganzen Reihe von Gründen für ungeeignet; der erfahrene Berufsmann nennt die einem modernen Betrieb entgegenstehende Gebäudestruktur, die Platzverhältnisse, das Parkplatzproblem und die einzuhaltenden Auflagen. In Grafs Vorstellung wird die Entwicklung irgendwann dazu führen, dass mehrere Bäckereien von einem einzigen Produktionsbetrieb beliefert werden.
[caption_left: In der Altstadt liegt die Bäckerei Haller. Eigentümer Hanspeter Graf sieht längerfristig
höchstens eine Zukunft als Filialbetrieb.]Beck-Konditor Pius Rist arbeitet mit 76 noch vollEine Sonderstellung hat Altstättens Bäckerei Konditorei Rist (mit Café), ein weiterer Traditionsbetrieb, für den 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind. Angesichts von Pius Rists fortgeschrittenem Alter (er ist 76) ranken sich um Pius und Uschi Rists Betrieb Gerüchte, die «jeder Grundlage entbehren», wie Pius Rist sagt. Er selbst hatte sich bereits weitgehend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, als im August dieses Jahres völlig überraschend der Betriebschef und Produktionsleiter verstarb. Nun ist der Rentner wieder fleissig an der Arbeit. Weil es sich bei allen acht Angestellten in der Backstube um gelernte Fachkräfte (Bäcker-Konditor) und ein eingespieltes Team handle, erlebe er die Arbeit, die er immer noch mit Freude leiste, als sehr angenehm.Pius Rist sagt, die zwangsläufig nötig werdende Übergabe des Betriebs sei in Planung, und es spreche derzeit alles dafür, dass sein Betrieb im bisherigen Rahmen fortgeführt werde. Rist beliefert nicht nur grösstenteils die Restaurants im Raum Altstätten, sondern zudem grössere Betriebe wie Altersheime, Spital oder Regionalgefängnis.Pandemie für Lingenhag als zusätzliche ErschwernisIn Marbach suchen Markus Lingenhag und Monika Segmüller für ihren (noch bis Mitte nächstes Jahr selbst geführten) Betrieb einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin; das Gleiche gilt für die Lingenhag-Filiale in Rebstein. Dort allerdings, in der ehemaligen Bäckerei Kohler, ist Lingenhag nur Pächter. Zwei der vier Lehrlinge können die Ausbildung bei Lingenhag abschliessen, die anderen zwei können andernorts weitermachen.
[caption_left: Beck Lingenhag in Marbach, der Mitte 2022 aufhört, hat noch niemanden für eine
Übernahme des Betriebs gefunden.]Dass die Suche nach Nachfolgern oder Nachfolgerinnen in der jüngeren Vergangenheit tendenziell noch schwerer fiel als sonst, liegt auch an Corona. Markus Lingenhag hatte kaum intensiv begonnen, Ausschau nach einem Käufer oder einer Käuferin zu halten, als die Pandemie dazwischenkam.Unterstützt wird Lingenhag von der Unternehmensberaterin Proback, einer Tochterfirma der Pistor Holding Genossenschaft. Obschon zuversichtlich, ist der Bäckermeister mit 38-jähriger Erfahrung als Unternehmer Realist: Ein ähnliches Schicksal wie einst den nach und nach verschwundenen Metzgereien könnte längerfristig auch den Bäckereien blühen.Junge Menschen mit höheren AnsprüchenDie Rahmenbedingungen sind keinesfalls besser geworden. Aber schlechter? Vor allem die Ansprüche junger Berufsleute sind sicher gestiegen. Das weiss auch der frühere Beck-Konditor Niklaus Wäger aus Rebstein, der vor eineinhalb Jahrzehnten noch leicht ein Nachfolger-Ehepaar fand. Wäger, damals 45, wollte nach drei Jahrzehnten in der Branche auch noch etwas anderes machen und übergab seinen Betrieb Michael und Barbara Lombardi.Wägers Erfahrung nach ist die Bereitschaft, für ein eigenes Geschäft zu leben, kaum mehr ausgeprägt vorhanden. Aber solcher Einsatzwille sei erforderlich. Auch Markus Lingenhag sagt klar, seine Selbstständigkeit als Unternehmer sei untrennbar mit einer Sechs-Tage-Woche verbunden gewesen. Heute haben aber Feierabend und Freizeit einen viel höheren Stellenwert. Dazu eröffnet unser Bildungssystem jungen Menschen völlig neue Perspektiven.Ein weiterer Punkt sind die Finanzen. Von der Bank einen Kredit zu bekommen, dürfte heute stärker von nackten Zahlen abhängen als vor zwanzig, dreissig Jahren. Damals wurde dem mutmasslichen Potenzial eines Jungunternehmers grosses Gewicht beigemessen.Bei Gantenbein ist der Sohn im GeschäftÄhnliches Glück wie den genannten Bäckereien im Mittelrheintal könnte dem Altstätter Thomas Gantenbein beschieden sein. Der Geschäftsinhaber des renommierten Betriebes ist erst 53-jährig und somit vom Übertritt ins Rentenalter noch ein schönes Stück entfernt. Zu seiner Freude ist Sohn Luca auch im Unternehmen tätig. Zwar weiss niemand, was in einem Jahrzehnt sein wird, aber die Möglichkeit einer idealen Nachfolgeregelung liegt gedanklich nahe. Auch in den Gemeinden Oberriet und Rüthi steht es um die Bäckereien gut. Am 1. Januar 2014 übernahmen Thomas und Cornelia Zeller den Rüthner Familienbetrieb in vierter Generation, und in Oberriet, Kriessern, Montlingen gibt es verschiedene Bäckereien, in denen noch viele Jahre zuverlässig gebacken werden dürfte.