02.11.2020

Ausland-Amerikaner fiebern mit

Trump oder Biden: Bei den US-Wahlen zählen auch die Stimmen von Amerikanern, die im Rheintal leben.

Von Andrea C. Plüss, Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Andrea C. Plüss, Seraina HessEs sind über 9000 Kilometer, die Melissa Kehl-Spevacek von ihrer einstigen Heimat trennen. Und doch sind die Gedanken der Widnauer Gesangslehrerin in den letzten Monaten und Wochen vermehrt im Bundesstaat Arizona – dort, wo sie als US-Staatsangehörige das Wahlrecht besitzt.Nach dem erbitterten Wahlkampf zwischen dem Republikaner Donald Trump und dem Demokraten Joe Biden ist heute der Tag der Abrechnung. Die Präsidentschaftswahl in den USA bewegt weltweit, auch im Rheintal, wo gebürtige US-Amerikaner ihr Wahlrecht nutzen. Im Fall von Melissa Kehl-Spevacek war das erstmals besonders einfach: «Ich konnte den Wahlzettel einfach ausdrucken, unterschreiben, einscannen und das PDF auf der Website des Bundesstaates hochladen.» Der Erhalt ihrer Stimmabgabe wurde ihr schliesslich online bestätigt. «Leider ist das Wahlverfahren für Ausland-Amerikaner nicht in jedem Staat so praktisch gelöst», ergänzt Kehl-Spevacek.Politik bleibt einheikles ThemaDenn für gewöhnlich wählen US-Staatsangehörige, die im Ausland leben, brieflich. So etwa Elisha Breitenmoser, Frau des Widnauer SVP-Ortsparteipräsidenten Erich Breitenmoser. «Kompliziert ist es nicht, aber man muss sich früh genug online registrieren und Angaben aus dem Pass einreichen, damit man die Unterlagen rechtzeitig per Post zugestellt bekommt.» Also mindestens zwei Monate vor der eigentlichen Wahl.Sowohl Elisha Breitenmoser als auch Melissa Kehl-Spevacek sind sich einig, was die Wichtigkeit der US-Wahlen angeht –selbst dann, wenn man nicht mehr dort lebt. Auseinander gehen hingegen die Meinungen, was den künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten angeht. Melissa Kehl-Spevacek hat Joe Biden gewählt. «Nicht, weil ich nur Kandidaten der Demokraten wählen würde. Vielmehr, weil ich nicht möchte, dass Donald Trump eine weitere Amtszeit Präsident bleibt.» Kehl-Spevacek vertritt ihre Ansichten ganz offen, obschon dies unter US-Amerikanern immer mehr zu Problemen führe, wie sie sagt: «Inzwischen geht das so weit, dass Nachbarn, die nicht denselben Kandidaten unterstützen, kein Wort mehr miteinander wechseln. Sogar Familien brechen aufgrund unterschiedlicher politischer Ansichten auseinander.» Das hat die Widnauer Gesangslehrerin schliesslich dazu bewegt, einen Song zu lancieren, den sie letzte Woche auf Youtube veröffentlicht hat. «A Tribe Called Human», zu Deutsch: Ein Stamm namens Mensch. «Wir sind alle gleich, egal wie wir aussehen, denken oder funktionieren; das wollte ich mit diesem Lied ausdrücken, passend zu dieser turbulenten Zeit.»«Trump soll Projekte zumAbschluss bringen»Offen zu ihrer politischen Meinung steht auch Elisha Breitenmoser, die sich dezidiert für eine zweite Amtszeit Donald Trumps ausspricht. Die Kalifornierin sagt: «Trump hat viel getan für die Wirtschaft, brachte Jobs und hat Projekte aufgegleist, die er in den nächsten vier Jahren abschliessen soll.» Die Medien hätten stets zu unausgewogen berichtet, wenn es um ihren Kandidaten ging – und vor allem die Korruptionsvorwürfe gegen Joe Biden seien zu wenig gewichtet worden. Live am TV mitverfolgen werden die beiden Frauen die Wahl übrigens nicht: «Ich glaube, es genügt, wenn wir die Resultate am Morgen erfahren», sagt Elisha Breitenmoser.Angst, was nach der Wahl passieren könnteBereits seit 1960 gibt David Hove seine Stimme bei den US-Präsidentschaftswahlen ab. Der 81-Jährige kam 1975 aus Iowa nach Heerbrugg; als erster Englischlehrer der frisch eröffneten Kantonsschule. Seitdem stimmt er per Briefwahl ab. «Ich bin sehr gespannt auf das Wahlergebnis», sagt David Hove. Er erinnert sich, 1960 für den Republikaner Richard Nixon gestimmt zu haben, der jedoch John F. Kennedy unterlag. Danach habe er fast immer demokratischen Kandidaten den Vorzug gegeben. Jetzt hat er für Joe Biden gestimmt. Ganz unumwunden sagt David Hove: «Ich hoffe, dass Trump verliert, habe aber Angst vor den Reaktionen, falls er verliert.» David Hove hat Familie und Freunde in den USA, an der Ostküste und im Mittleren Westen, wozu auch der Bundesstaat Iowa gehört, aus dem Hove stammt. Verwandte und Freunde seien fast alle Demokraten. Und dies, obwohl beispielsweise die Bauern in Iowa traditionell eher Republikaner gewesen seien, so Hove. Das politische und gesellschaftliche Geschehen in den USA verfolgt David Hove sehr interessiert. Zuletzt vor einem Jahr besuchte das Ehepaar Hove Familie und Freunde in den USA. Er hofft, die Gräben, die sich zwischen beiden politischen Lagern aufgetan haben, können überbrückt werden. Ein Mittel dazu wäre Toleranz. Der Wunsch des 81-Jährigen geht in diese Richtung. Er sagt: «Ich wünsche meinem Geburtsland mehr Toleranz».

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