27.08.2019

Ausgemustert per Kurznachricht

Die Teamstützen Claudia Stilz und Bettina Peter gehören nicht mehr zum FC St. Gallen-Staad. Eine Geschichte mit Nebenschauplätzen.

Von Ralf Streule
aktualisiert am 03.11.2022
Die NLA-Frauen des FC St. Gallen-Staad haben am Wochen­ende ihr Spiel gegen den FC Zürich mit 1:5 verloren. Es ist eine erwartete Niederlage gegen favorisierte Zürcherinnen – und in der derzeitigen Situation ohnehin nur eine Randnotiz. Viel mehr zu reden gibt im Umfeld des Teams – bis hinauf in die obersten Führungsgremien des FC St. Gallen – etwas anderes. Zwei langjährige Spielerinnen sind in den Tagen zuvor auf seltsam abrupte Art ausgemustert worden. Da ist Claudia Stilz, die ehemalige Nationalspielerin, die dem FC Staad 20 Jahre lang die Treue hielt und im Ostschweizer Frauenfussball eine herausragende Figur ist. In der vergangenen Saison noch, beim Aufstieg in die NLA, war die 33-Jährige die zweitbeste Torschützin der NLB, im Cupspiel vor einigen Tagen gegen Bühler erzielte sie sechs von sieben Toren. Ebenfalls nicht mehr dabei: Bettina Peter, 33-jährig, als Mittelfeldspielerin ebenfalls mit langer Geschichte im FC Staad und danach im fusionierten FC St. Gallen-Staad.Whatsapp-Meldung: «Wir setzen auf die Jungen»Um eine gewöhnliche Ausmusterung handelt es sich nicht, das wird in Gesprächen mit vielen Beteiligten schnell klar. Eine Whatsapp-Nachricht, kurz vor dem Montagstraining vor einer Woche, habe die Spielerinnen vor vollendete Tatsachen gestellt, heisst es – und wird auf Anfrage von den beiden bestätigt. Man setze auf junge Spielerinnen, so hiess es, kurz zusammengefasst, in der Mitteilung von Frauen-Sportchef Jost Leuzinger. Eine Meldung, die viele Spielerinnen regelrecht geschockt habe, so ist es zu hören. Auch für sie sei der Schritt überraschend gewesen, sagen die beiden. Sie seien «sehr enttäuscht und traurig». «Uns wurde die Chance genommen, nach so langer Zeit im Verein selber über unseren Abgang zu entscheiden», sagt Stilz. Eines macht hellhörig: Die beiden schieden aus, nachdem sie im ersten Spiel der Saison, beim 0:0 gegen Lugano, noch zur Startformation gehört hatten. Ein Vorkommnis im Spiel gegen Lugano soll ein Auslöser für die schnelle Ausmusterung gewesen sein. Eine junge Spielerin, die um ihren Platz in der Equipe kämpft, gelangte mit ihrem Vorwurf, Bettina Peter sei ihr gegenüber im Spiel unanständig aufgetreten, an Leuzinger. Die Vorwürfe weist Peter deutlich von sich. Sie und Stilz, die im Team als Charakterköpfe gelten, stellten die Spielerin zur Rede – offenbar zu offensiv. Leuzinger sagt: «Einem Mädchen, das in Tränen aufgelöst zu mir kommt, muss ich Glauben schenken.» Für ihn war klar: Um im Team Ruhe einkehren zu lassen, müssen die beiden Routiniers weichen. Er spricht davon, dass junge Spielerinnen regelrecht Angst hatten vor den beiden. Sie hätten «eine direkte Art», sagen Peter und Stilz selber. Leuzingers Sicht können sie aber nicht nachvollziehen. Leitung soll Gespräch nicht gesucht habenDie Situation ist zerfahren, es scheinen persönliche Animositäten zu sein, die zur schnellen Whatsapp-Meldung geführt haben. Leuzinger erklärt, es habe sich schon in früheren Situationen gezeigt, dass junge Spielerinnen keinen Raum neben Stilz und Peter vorfinden würden. Die beiden kontern: Sie seien von der Leitung mit diesem Problem nie konfrontiert worden. Bettina Peter kritisiert zudem, dass die sportliche Leitung auch nach dem angeblichen Vorfall das Gespräch nicht gesucht habe. «Meine Seite wurde nicht angehört.» Für ein Treffen habe in jenem Moment die Zeit gefehlt, so Leuzinger. Ein Gespräch wurde am vergangenen Freitag nachträglich anberaumt – dem Vernehmen nach sind die Fronten weiterhin nicht geklärt. Leuzinger betont: «Eine Reduktion des Kaders war ohnehin geplant in den ersten Tagen der Saison.» Das sei so kommuniziert gewesen. Und das Team habe den Entscheid der Freistellung gut aufgenommen.Anders tönt dies bei Spielerinnen. Der Abgang von Stilz und Peter sei für viele ein grosser Dämpfer gewesen. Sogar Trainer Marco Zwyssig spricht davon, dass im Team eine gewisse Verunsicherung zu spüren sei. Was die Kurzmitteilung angeht, nimmt er sich aus der Schuss­linie. Er habe nicht gewusst, in welcher Art der Entscheid den Spielerinnen mitgeteilt werde. Und: «Man wird niemanden finden, der dieses Vorgehen als geschickt taxiert.» Er sei sich bewusst, dass das Team mit dem Abgang von Peter und Stilz «nicht an Substanz gewonnen hat». Er, der das Team erst seit diesem Sommer wieder betreut, habe aber die Vorgeschichte nicht gekannt – und akzeptiere deshalb den Entscheid der sportlichen Leitung mit Leuzinger und Christian Maier, dem Technischen Leiter des Ostschweizer Nachwuchses. Zwyssig sagt: «Wir schauen nach ­vorne. Ob wir nun weniger Konfliktpotenzial im Team haben, wird sich zeigen.» Auch der Kooperation zwischen dem FC Staad und den St. Galler Frauen dürfte die Geschichte nicht zuträglich sein. Der FC Staad fordert professionelleres VorgehenVor zwei Jahren schloss sich die Frauenabteilung des FC Staad mit jener des FC St. Gallen zusammen – in einer Zeit, als Staad (mit Peter und Stilz) erfolgreicher unterwegs war als die St. Gallerinnen. Aus Staad kam denn auch prompt eine heftige Reaktion. Der Club gelangte an den FC St. Gallen, um seine Unzufriedenheit auszudrücken. «Wir wurden nicht informiert und hätten uns das Vorgehen anders vorgestellt», sagt Luc Haltner, Leiter Frauenfussball in Staad. Er spricht vom Engagement auch neben dem Platz, das die beiden ausgezeichnet habe.Der Vorschlag des Staader Vorstands: Es sollen künftig Leitplanken gelten, um ähnliche «Schnellschüsse» zu verhindern. Schon länger fordert Staad eine Frauenkommission, die kontrollierend eingreifen könnte. Im Gespräch mit Alain Sutter habe sich gezeigt, dass der Sportchef des FC St. Gallen ein offenes Ohr habe für diese Idee. Sutter sagt: «Es ist sicher der falsche Weg, Spielerinnen per SMS über einen solchen Entscheid zu informieren.» Deshalb habe er das klärende Gespräch zwischen den Parteien gefordert. Über den Entscheid als solchen könne er sich aber aus der Distanz kein Urteil bilden. Unbefriedigend bleibt die Situation für die beiden Fussballerinnen. Sie wären bereit gewesen, im Sommer einen Schlussstrich zu ziehen, wenn ihnen dies von der Leitung nahegelegt worden wäre. Auch mit dem Hintergedanken, dereinst vielleicht eine andere Funktion im Team übernehmen zu können. Die Chancen darauf sind mit den Zerwürfnissen auf praktisch null gesunken.

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