18.05.2022

Aus dem Zuhause entfernt

Kjail Ramadani und seine Frau hatten gestern Besuch von der Polizei. Ihr zwangsversteigertes Haus wurdezwangsgeräumt. Sie behaupten, kriminelle Machenschaften hätten zur Versteigerung und zur Räumung geführt.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Unter den Hammer kam die Liegenschaft letzten September. Ein Widnauer Unternehmen erhielt den Zuschlag. Am 7. März entschied das Kreisgericht Rheintal, das Ehepaar Ramadani habe das Haus innert zehn Tagen zu räumen und zu verlassen, am 11. April publizierte die Gemeinde St. Margrethen die Handänderung.Es geht um das Dreifamilienhaus an der Walzenhauserstrasse 23/25, ein Grundstück mit einer Fläche von 890 Quadratmetern.Kjail Ramadani sagte noch vor einer Woche, er werde sein Zuhause nicht verlassen, und er wiederholte es mit Nachdruck. In seinen vierzig Jahren in der Schweiz, ergänzte er, habe er so etwas noch nie erlebt, «wir wurden betrogen».Die Geschichte, die der Mazedonier erzählt, geht der Versteigerung voraus. Die neue Eigentümerin hat damit nichts zu tun. Doch Kjail Ramadani sagt, aufgrund der Vorgeschichte sei es unrechtmässig zur Versteigerung gekommen.Weil betrügerische Machenschaften überhaupt erst die Versteigerung verschuldet hätten, sei der erzwungene Eigentümerwechsel für ungültig zu erklären.[caption_left: Das Haus des Ehepaars Ramadani wurde zwangsversteigert und nun zwangsgeräumt.  Bild: gb]«Kuriose Unterschriften» auf den PapierenRamadanis kauften das Dreifamilienhaus im Jahr 2014 für 600'000 Franken und unterzeichneten mit einer ehemaligen St. Margrether Bank einen Basisvertrag für ein Grundpfanddarlehnen von 770'000 Franken. Am 5. August 2015 errichtete die Bank einen Namen-Papierschuldbrief im 1. Rang über 800'000 Franken, einen weiteren Papierschuldbrief im 2. Rang über 53'000 Franken sowie noch einen solchen Brief im 3. Rang über 30'000 Franken.Das Besondere daran: Kjail Ramadani sagt, seine Frau und er hätten davon nichts gewusst. Sie seien weder dabei gewesen noch hätten sie etwas unterzeichnet. Vielmehr seien «kuriose Unterschriften» auf den Papieren zu finden, die nicht von ihnen stammten. (Ein grafologisches Gutachten liegt nicht vor.)Kjail Ramadani macht zudem geltend, er sei am 5. August 2015 gar nicht in der Schweiz gewesen. In der Strafanzeige vom 10. September 2021 gegen Unbekannt, respektive Mitarbeiter der Bank «in Sachen Unterschlagung/Veruntreuung und Urkundenfälschung» ist zu lesen: Ramadanis waren «gemäss Passkopie und Stempelnachweis vom 25. Juli bis 8. August 2015 ferienhalber abwesend».«Hier, schauen Sie»; der Mazedonier legt eine Passkopie mit den besagten Stempeln auf den Tisch.[caption_left: Blick auf die Rückseite des Mehrfamilienhauses, in dem sich drei Wohnungen befinden.  Bild: gb]408'000 Franken sollen abgeflossen seinDer Vorwurf an die Adresse der ehemaligen St. Margrether Bank lautet so: Insgesamt seien zu Lasten von Ramadanis 408'000 Franken abgeflossen, ohne ihr Wissen und ohne ihr Einverständnis. Das Geld sei «von unbekannten Angestellten» der Bank «und weiteren Drittpersonen in strafrechtlicher Weise bezogen» worden. Es sei so ein «immenser Schaden» entstanden, der zum Verwertungsverfahren geführt habe. Der Rechtsanwalt des Ehepaars garnierte die Strafanzeige mit dem Hinweis, die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt habe ebenfalls (in einer anderen Sache) Ermittlungen eingeleitet, welche die gleiche Bank beträfen. Auch in jenem Fall gehe es um unrechtmässige Verwaltungsmethoden in Bezug auf Kundengelder.Finanziell unter Druck geratenDas Kreisgericht Rheintal verpflichtete die finanziell unter Druck geratenen Ramadanis am 20. November 2020 zur Zahlung von 883'000 Franken, zuzüglich 10 Prozent Zins seit dem 31. März 2019 und bestand auf der Räumung des zwangsversteigerten Hauses. Ein Rekurs wurde abgelehnt. Die Stellungnahme Ramadanis zur Versteigerung und ihren Folgen bezeichnete das Gericht als «wirr und in weiten Teilen nicht ganz nachvollziehbar». Das Gericht repetiert, das Ehepaar Ramadani mache geltend, es sei «trotz Korruption, Komplotten, Verschwörungen und krimineller Handlungen der Behörden und Beteiligten gegen sie als Ausländer aus ihrer Sicht nach wie vor legitime Besitzer der fraglichen Liegenschaft».Das Problem aus Sicht der Unterlegenen: Sie haben allzu spät den Anwalt beigezogen, der sie nun vertritt. Verfahrenstechnisch sind sie deshalb stark im Hintertreffen. Die frühzeitige Anfechtung der Zwangsversteigerung wäre auf jeden Fall ratsam gewesen, erklärt der Anwalt.[caption_left: Die Liegenschaft an der Walzenhausenstrasse 23/25 hat eine Fläche von 890 Quadratmetern.  Bild: gb]Kreditsumme weit über Wert des HausesGanz unabhängig von all dem, weist der Anwalt Ramadanis auf die seines Erachtens allzu leichtfertige Kreditvergabe der Bank hin.Die beim Kauf der Liegenschaft durch Ramadanis bestehende Grundpfandschuld von 495'000 Franken habe die Bank auf 885'000 Franken erhöht. Laut Bewertungsgutachten sei die Liegenschaft aber nur 460'000 Franken, also gut die Hälfte wert gewesen.Fazit des Anwalts: Die Bank «verletzte durch ihre Mitarbeiter jegliche Richtlinien über die Belehnung einer Liegenschaft.»

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