01.04.2022

Aus christlicher Sicht: Wahrheit hängt davon ab, wer sie sagt

Von Andreas Brändle
aktualisiert am 02.11.2022
«Was ist Wahrheit?» (Joh 18, 38). Mit dieser Frage antwortet Pontius Pilatus auf das Bekenntnis von Jesus: «Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.»Es ist allerdings kein neutraler Ort und Rahmen in dem dieses Gespräch stattfindet. Jesus ist der Verurteilte und Pontius Pilatus ist der mächtige Statthalter, der über Tod und Leben des Verurteilten entscheiden kann. Und wir wissen heute, wie sich Pontius Pilatus entschieden hat, nämlich für sich und seine Karriere und gegen die Einsicht, dass es keinen Grund gegeben hat, Jesus, einen Unschuldigen, zu verurteilen.Was ist Wahrheit? Das ist eine brennend aktuelle Frage auch im Krieg Russland gegen die Ukraine. Wie heisst es so schön: Das erste Opfer in einem Krieg ist die Wahrheit. Kriegspropaganda auf beiden Seiten. Allerdings, ich muss es ehrlich zugeben, bei den Nachrichten aus Russland oder vom Kreml, gehe ich von vornherein von Lügen aus, während ich eher gewillt bin, den Informationen aus der Ukraine, im Speziellen den Worten des Präsidenten Selenskyi zu trauen. Warum? Weil er ein sympathischer Typ ist, weil er sich im Team zeigt, andere Menschen an sich heranlässt, während Putin immer an einem langen Tisch sitzt und die Leute auf Abstand hält. Kann man einem solchen Menschen trauen? Nein! Das zeigt, Wahrheit hängt davon ab, wer es sagt. Sie ist an Menschen gebunden. Kommt die Person wahrhaft und glaubhaft rüber, oder hat man den Eindruck, die Person hat etwas zu verbergen und zu verstecken.Das griechische Wort für Wahrheit heisst alätheia, «das Unverborgene», also das Gegenteil von dem, wo man den Eindruck hat, dass jemand etwas zu verbergen, zu verstecken hat.Stellen Sie sich einmal die Abendmahlszene vor. Jesus sitzt mit seinen Jüngern am Tisch und isst. Jesus sitzt in der Mitte, links und rechts die Jünger. Sie sind alle nahe beieinander. Sie diskutieren wild und angeregt hin und her.Und jetzt stellen Sie sich die Szene einmal anders vor. Jesus sitzt in der Mitte, links und rechts lange nichts mehr, und dann dicht gedrängt am unteren und oberen Tischende sitzen die Jünger. Und sie schauen mit ängstlichen und unterwürfigen Blicken zu Jesus. Und sie reden nur, wenn sie gefragt werden.Die Wahrheit ist an einen Menschen gebunden. Sie ist an die Person Jesu gebunden, die einmal zum Thema Wahrheit gesagt hat: «Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater ausser durch mich.» (Joh 14, 6)Andreas BrändlePfarrer in Diepoldsau

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