Es tut gut, wenn alle Rücksicht nehmen. Ohne die Aufmerksamkeit der anderen würde unserem Zusammenleben etwas Entscheidendes fehlen.Wir kennen die Geschichte vom barmherzigen Samariter (Luk. 17, 25 – 37), in der ein Mann unter die Räuber fällt und halb tot im Graben liegt. Menschen gehen vorbei, sogar Geistliche! Wie geht es dem Verletzten? Die Rettung kommt von einem Fremden, Andersgläubigen. Der Mann aus Samarien hat Mitleid. Deshalb bekommt der Überfallene Hilfe, Unterkunft und medizinische Versorgung, die der Helfer bezahlt; auch über die Zeit hinaus, wo er selbst vor Ort ist. Wie erleichtert muss der Verletzte gewesen sein?Jesus erzählt uns diese Geschichte aus der Sicht des Opfers. Wer war dem Verletzten der Nächste?, fragt er. Der Nächste vom Urgebot der Liebe: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.» Immer wenn ich die Geschichte höre, hoffe ich, dass ich es nicht bin, die einen Bogen macht um den, der unter die Räuber geraten ist. – In diesen Wochen wird über die Rettung von Flüchtenden im Mittelmeer debattiert. Carola Rackete hat ins Bewusstsein gebracht, was dort an den Aussengren-zen der EU geschieht. Sie hat als Kapitänin in Seenot geratene Flüchtlinge auf ihr Schiff geholt, 100 Kilometer vor der libyschen Küste. Nach dem Erkunden der Rechtslage und dem vergeblichen Bitten um Ankerplatz, hat sie gegen den Willen des italienischen Premierministers die Geretteten auf italienischen Boden gebracht. Die traumatisierten Flüchtlinge aus Afrika waren so verzweifelt, dass ein weiteres Herumkurven des Schiffes auf dem Mittelmeer nicht mehr zu verantworten war. In Lampedusa legte sie an, an den Ort, den Papst Franziskus für seinen ersten Amtsbesuch auswählte.Manche sagen, die Helfer arbeiten den Schleppern in die Hände und wir können doch nicht alle retten. Meines Erachtens ist es an der Zeit, die Fluchtursachen weltweit anzuschauen: Korruption, Land-Grabbing, Überfischung der Meere und die Klimaveränderung.Es ist höchste Zeit für weltpolitische und wirtschaftliche Korrekturen. Und so lange muss man Ertrinkende retten, ohne Wenn und Aber.Das würden wir doch auch uns und unseren Enkeln wünschen, oder?Silke DohrmannPfarrerin in Widnau-Kriessern