14.05.2021

Aus christlicher Sicht: Neuer Wein in neuen Schläuchen

So, wie es heute aussieht, gibt es Licht am En­de des Coronatunnels in der Schweiz. Trotz der Lockerungen des Bundesrates im April gehen die Infektionszahlen zurück und alle atmen auf.

Von Andrea Hofacker
aktualisiert am 03.11.2022
Zurück zur Normalität ist das Motto der Zeit. Niemand hätte gedacht, dass von der Normalität, die ja ei­gentlich als eher langweilige Routine wahrgenommen wird, so ein Zauber ausgehen könnte, dass man sich danach sehnt – und doch tun das alle.Die grosse Frage, die sich stellt: Wird die Normalität nach Corona aussehen, wie die Normalität vor Corona? Ich denke, das kann so nicht sein. Denn diese Pandemie hat unsere Grundfesten erschüttert, sie hat ein sich unbesiegbar wähnendes Europa in die Knie gezwungen. Pandemien wie Ebola kannte man bis dato nur aus Entwicklungs- oder Schwellenländern, aber nicht vor der eigenen Haustür.Die Zeit und unsere Erfahrungen mit Corona und damit mit der Verletzlichkeit unserer Gesellschaft sowie der Zerbrechlichkeit von gemeinsamen Werten und Grundsätzen, werden wir nie vergessen, denn sie haben uns mitgeprägt. Deshalb denke ich, dass es guttun wird, nach der Pandemie darüber nachzudenken, was wir in Zukunft besser machen können. Manches, was vorher selbstverständlich war, ist uns wieder wichtiger und wertvoller geworden. Das kann eine Reise ans Meer sein, ein ungezwungener Besuch bei Freundinnen und Freunden, die Nähe, die nur eine Umarmung vermittelt, oder auch einfach die Freude über nichtdigitale Kontakte.Die Erfahrung der Unsicherheit und des Bedrohtseins holt uns auch viel stärker die Bedrohung durch den fortschreitenden Klimawandel wieder ins Bewusstsein. Wir haben jetzt gelernt, dass uns eine Vogel-Strauss-Taktik nicht retten kann. Viele Dinge werden sich massiv ändern müssen, damit wir alle überhaupt eine Zukunft haben. Für diese neuen Erkenntnisse müssen wir uns öffnen und uns für grosse Veränderungen in unserem Lebensstil bereithalten. Verzichten werden wir lernen müssen. Vielleicht war Corona ja auch ein Anfang, eine erste Übung für das, was uns noch erwartet.Jesus hat gesagt: «Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche, sonst wird der Wein die Schläuche zerreissen, der Wein geht verloren und die Schläuche sind hin. Nein: Neuen Wein in neue Schläuche!» (Mk 2, 22)Neuen Wein in neue Schläuche! Das wird die Nachcoronazeit auch von uns fordern: Neue Ideen, neue Gedanken, neue Wertschätzung für normale Umstände sind der neue Wein, den es brauchen wird. In neuen Schläuchen, das heisst den Köpfen und Herzen der Menschen, die durch die Pandemie sich nach neuen Perspektiven sehnen, und aus der Pandemie gelernt haben, wie verletzlich un­ser Leben, unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft und die ganze Menschheit sind.Dafür wünsche ich uns allen Mut und Kraft!Andrea Hofacker, Pfarrerin in Marbach

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