19.08.2022

Aus christlicher Sicht: Nachtragen

«Ich muss meinen Kindern immer alles nachtragen!», sagen genervte Eltern oft von etwas vergesslichen Kindern oder übermüdeten Pubertierenden.

Von Martin Nägele, Diakon Widnau
aktualisiert am 02.11.2022
Hat der Sohn im Schullager bemerkt, dass er etwas Wichtiges zu Hause vergessen hat, bemüht er seine fürsorgliche Mutter, ihm das doch rasch vorbeizubringen. Oder die Arbeiterin muss ihrem Chef die Akten oder sonstiges Arbeitsmaterial hinterhertragen. Diese Arten des Nachtragens werden oft als nervend, ausnützend oder entwürdigend empfunden. Wenn ich jemandem etwas nachtragen muss, kostet es mich meine Zeit und meine Kraft. Deshalb wird es im Allgemeinen vermieden, jemanden etwas nachtragen zu müssen.Es gibt aber noch eine andere Art des Nachtragens, die in der Gesellschaft sehr verbreitet ist. Wenn mich jemand beleidigt oder mit unbedachten Worten verletzt hat, wenn ich mich falsch behandelt fühle, kann es sein, dass ich es ihm übel nehme und ich ihm das nachtrage. Jemandem etwas nachtragen heisst; ich vergesse nicht, was er mir angetan hat, ich vergebe ihm nicht!Nur meistens sind sich jene Menschen keiner Schuld bewusst und leben ihr Leben unbeeinflusst und unbelastet weiter. Nur ich trage etwas. Dass es meine Kraft braucht, dass ich jemandem etwas nachtragen muss und bildlich gesehen meine Hände nicht mehr frei sind für wichtigere Dinge in meinem Leben, das ist den meisten Menschen nicht bewusst! Wenn ich jemandem etwas nachtrage, dann trage ich die Last, nicht er! Immer wenn wir das «Unser Vater» beten, sprechen wir: «… und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern!». «Unsere Schuldiger», sind jene, die an uns schuldig geworden sind, die uns verletzt haben. Ihnen zu vergeben heisst; die Last und die Bitterkeit Gott zu überlassen, ihm abzugeben und loszulassen. Aus meinen Händen geben.Wir meinen vielleicht: Jetzt sind wir so richtig edel und christlich und tun dem anderen was Gutes, wenn wir ihm vergeben? Wer vergibt, tut sich selber etwas Gutes. Vergeben (aus der Hand geben), tut zuerst etwas mit mir. Ich werde aktiv und bleibe nicht in der Rolle des Opfers. Ich gehe voran, verabschiede meine Bitterkeit über das, was mir zugefügt wurde. Haben Sie etwas zu vergeben? Vielleicht gerade an diesem Wochenende? Ich wünsche Ihnen die Kraft dazu.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.