29.07.2022

Aus christlicher Sicht: Heimat ist ein Ort oder ein Gefühl

Ein arbeitsfreier Tag, grillieren und Feuerwerk, war’s das mit dem 1. August? Wie viele andere Feiertage möchte ich ihn immer wieder mit Inhalt füllen, sonst verkommt er zur reinen Folklore.

Von Manuela Schäfer
aktualisiert am 02.11.2022
Ich nehme den 1. August zum Anlass, über Heimat nachzudenken. Neu ist das nicht, er hat für mich aber je nach Lebenssituation neue Facetten. Heimat ist ein Thema, das so abgegriffen sein und auch so missbraucht werden kann, dass man sich ihm nur persönlich nähern kann. Ist Heimat denn nun ein konkreter Ort auf der Landkarte oder ein inneres Gefühl? Jemand sagt mir: «Für mich ist Heimat der Blick vom Kobel hinunter zur Kirche in Au, über das Rheintal hinweg.» Heimat, das sind Gerüche oder Geräusche– Grossmutters Sonntagsbraten, das Glockengeläut aus dem Kirchturm. Und nicht zuletzt hat Heimat auch etwas mit Menschen zu tun, die ich kenne, bei denen ich mich aufgehoben und akzeptiert fühle. «Heimat ist da, wo ich verstehe und verstanden werde», sagt der Philosoph Karl Jaspers. Manche Menschen fühlen sich wie entwurzelt, wenn sie den ihnen vertrauten Ort verlassen müssen. Das kann durch einen Umzug sein oder durch Vertreibung und Flucht. Andere werden innerlich heimatlos, wenn sie sich unverstanden fühlen und mit den Umständen an dem Ort, an dem sie leben, nicht mehr zurechtkommen. Irgendwo einen Wohnsitz zu haben, heisst nicht automatisch auch eine Heimat zu haben. Und manchmal wird einem die eigene Heimat auch fremd. Heimat, die kann man offenbar verlieren und auch wieder finden, die kann man mitnehmen, und neu finden.Die Bibel weiss ebenfalls vom Verlust der Heimat. Viele ihrer Gestalten, angefangen von Mose bis hin zu Jesus, mussten Vertrautes verlassen und neu anfangen. Zu grossen Teilen ist die Bibel kritisch gegenüber der irdischen Heimat, weil Menschen darüber ihre Heimat bei Gott vergessen können: «Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir», heisst es im He­bräerbrief. Und doch brauchen wir eine Heimat hier, mindestens eine für dieses Leben. Weil das Gefühl der inneren Wärme und der äusseren Zu­verlässigkeit von Heimat so viel wert ist, darf darum gerungen werden. Heimat ist ebenso vielfältig, wie wir sie erleben: Sie ist in Kopf und Herz, in der Weite der Landschaft mit ihren Menschen und Gebäuden, den Traditionen und Bräuchen. Auch dafür ist der 1. August da: Um uns zu stärken für die Aufgaben, die uns anvertraut sind, für das Land und seine Menschen, in unseren Familien, in Vereinen, der Politik und in den Kirchen. Manuela Schäfer Pfarrerin in Berneck

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