22.07.2022

Aus christlicher Sicht: Getragen vom Wasser

Im Baggersee in Kriessern: Ich schwimme hinauf zu den Seerosen. Strahlend weisse Blüten auf der Wasseroberfläche. Wiegend getragen. Abends und bei Regenwetter schliessen sich die Blüten; sie öffnen sich wieder, wenn die Sonne sie bescheint.

Von Philipp Hautle
aktualisiert am 02.11.2022
Wasserflöhe tanzen auf den handgrossen Schwimmblättern. Der Blütenstiel der Seerose – oft einen Meter lang – reicht von der Wasseroberfläche bis zum schlammigen Grund. Dort bilden die Seerosen ein Wurzelgeflecht. Die Seerosen –– getragen vom Wasser, verwurzelt im Seegrund – sind untereinander verbunden. Bilden eine Lebensgemeinschaft.Im Buddhismus ist die Lotosblume – der Seerose gleich – zum Symbol für Reinheit des Herzens, Treue, Schöpferkraft und Erleuchtung geworden. Buddhistische Legenden erzählen sogar, die Lotusblüte sei Buddhas Geburtsort. Und auf Lotosblüten wäre er gleich nach der Geburt seine ersten Schritte gegangen. Über den Seerosen unzählige Libellen – die kleinen blauen und die viel grösseren dunklen. Mit ihren schwingenden, hauchdünnen Flügeln zaubern sie akrobatische Flüge. Halten sich unbeschwert in der Luft.Ich selbst schwimme, gehalten und unbeschwert. Leicht die Bewegung. Inmitten von Seerosen. Über mir die Libellen. Weit hinter mir springen schreiende Kinder ebenso unbeschwert vom Drei-Meter-Sprungbrett; sie tauchen ab ins Wasser, tauchen auf, gehalten vom Wasser. Ein grosser Zusammenhang – Himmel, Luft, Wasser, Grund, Leben.Meine Gedanken im Flug. Haben nicht Vorfahren unterschiedlichster Kulturen und Religionen immer wieder über diese na­türlichen Zusammenhänge und den letzten All-Zusammenhang nachgedacht? Wieso ist alles, wie es ist? Woher kommt alles? Wozu sind wir da? Jede und jeder Einzelne, wir alle, sind eingebettet in das grosse Ganze. Bei diesem Sinnieren haben sie die Worte «Gott» oder «Göttin» oder «göttlich» oder «Schicksal» ins Spiel gebracht?Für uns Christen und Christinnen bedeutet an Gott glauben, auf Gott zu vertrauen. Vertrauen wir wie beim Schwimmen: Zuversichtlich sich tragen lassen im und vom grossen Ganzen. Sich dem letzten unfassbaren und manchmal auch unheimlichen Geheimnis anvertrauen.Ich wünsche Ihnen mit den schwimmenden Seerosen, mit den Libellen in der Luft, beim Schwimmen ein spürbares Gottvertrauen.Philipp Hautle, Rebstein

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.