11.09.2020

Aus christlicher Sicht: Geschenkte Zeit

Samstagabend – 18 Uhr. Jemand läutet. Ich bin gerade dabei, das Bad noch zu putzen und die Handtücher zusammenzulegen. «Wer kann das sein?», frage ich mich, denn ich erwarte niemanden.

Von Georg Changeth
aktualisiert am 03.11.2022
Ein Fremder steht vor der Tür, das passt mir jetzt gar nicht. Ich will ihn wegschicken, doch er sagt: «Sei mein Gast!» Er kommt ins Haus. Ich will mich wehren, doch der Fremde nimmt mir die Putzsachen aus der Hand und lächelt. Dann führt er mich in ein Zimmer, das hell und licht ist. Der Tisch ist gedeckt, mein bestes Besteck glänzt, Kerzen leuchten. Meine Liebsten sind da. Feiner Geruch steigt aus den Schüsseln auf. Wein und Wasser warten auf die Gäste.Der Fremde sagt: «Leg die Sorgen der Woche ab. In deinem Kopf sind noch viele unerledigte Dinge, die ungeputzten Fenster, die Steuererklärung, der Streit mit dem Nachbarn, die Klassenarbeiten der Kinder.» Ja, so ist mein Leben voller Arbeit – mein Alltagskleid.Ich bin eingeladen von ihm – es ist Samstagabend 18 Uhr –, jemand holt mich ab und bringt mich zur Ruhe. Ich darf nun mein Sonntagskleid anlegen. Eine Hausfrau beschreibt in diesem Text sehr schön, was uns so umtreibt. So viele Dinge sind noch zu erledigen und die Zeit ist immer zu knapp. Die Termine und die Aufgaben hetzen uns und wir sind kaputt und erledigt. Da ist es doch eine schöne Einladung von Gott, am Vorabend zum Sonntag alles ruhen zu lassen und einfach Zeit zu haben für mich, für die Familie, für Gott. Der Sonntag ist eine geschenkte Zeit von Gott selbst. In Israel beginnt man den Ruhetag, den Sabbat, am Vorabend mit einer schönen Familienfeier. Die Mutter entzündet beim Sonnenuntergang die Kerzen und spricht ein Gebet über das Licht. Dann versammelt sich die ganze Familie um den Tisch bei einem Festmahl. Sie sind füreinander da, hören einander zu und feiern. Am nächsten Morgen ist der Gottesdienst in der Synagoge und dann ruhen sie einfach von der Arbeit aus.Haben nicht viele von uns diese geschenkte Zeit verloren? Rennen sie nicht pausenlos von einer Aktion zur anderen, von einer Freizeit zur anderen, ohne wirklich zur Ruhe zu kommen? Es wundert mich nicht, dass viele Menschen heute an Burn-out leiden, dass sie seelisch krank werden.Dabei hat Gott uns sechs Tage zur Arbeit gegeben, der siebte Tag aber ist ein Ruhetag, ein Tag der Begegnung mit Gott. Der Sonntag sollte anders gestaltet sein als der Alltag. Da kann ich auftanken und aufatmen, so dass ich in der kommenden Woche wieder meine Aufgaben gut erfüllen kann.Ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen gelingt, diese Auszeit wirklich zu finden und den Sonntag schön in der Familie und durch den Besuch des Gottesdienstes zu feiern.

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