18.06.2021

Aus christlicher Sicht: "Es lohnt sich"

Ich gehe aus dem Haus und will die Tür abschliessen. Doch wo habe ich meinen Schlüsselbund? Also gehe ich nochmals hinein und schaue in der Küche auf der Ablage nach, wo ich ihn in der Regel ablege. Doch da ist er nicht.

Von Renato Tolfo
aktualisiert am 03.11.2022
Auf dem Küchentisch liegt er auch nicht. Also die Treppe hoch ins Büro. Ich sehe keinen Schlüssel. Ich hebe die Dokumente hoch, die auf dem Pult liegen. Nichts. Unter den Büchern. Immer noch nichts. Wo habe ich den Schlüsselbund bloss hingelegt? Wann und wo habe ich ihn das letzte Mal gebraucht? Habe ich ihn vielleicht an der unteren Haustür stecken lassen? Aber vielleicht schaue ich doch zuerst im Schlafzimmer nach, ob ich ihn vielleicht dort irgendwo hingelegt habe. Und endlich finde ich den Schlüsselbund. Ich muss los, bin wieder einmal knapp dran.Ich glaube, Sie können nachfühlen. Manche von uns haben sicher schon mal etwas verlegt, das sie dringend gebraucht haben – oder sogar verloren. Das Portemonnaie, das Handy, die Brille, irgendeinen Schlüssel oder ein Dokument. Irgendwas.Es kann einfach nicht sein, dass man es nicht mehr hat. Man kann sich nicht damit abfinden, ergreift die Initiative, macht sich auf die Suche und stellt alles auf den Kopf. Wie gross ist die Erleichterung, wenn das vermisste Stück nach langem Suchen endlich wieder auftaucht. Dass sich bei vielen verlorenen Gegenständen die Suche aber nicht mehr zu lohnen scheint, zeigt sich darin, wie viele Gegenstände im Fundbüro landen und nie abgeholt werden.Vieles ist ersetzbar. Das scheint ein einfacher und bequemer Weg zu sein. Und in wie vielen anderen Lebensbereichen gilt dasselbe? Man findet sich damit ab, dass etwas verloren gegangen ist, ohne dafür zu kämpfen, ohne sich mit allen Kräften und Möglichkeiten dafür einzusetzen: die verlorene Lebensfreude, die innere Zufriedenheit, die berufliche Perspektive, eine abgebrochene Beziehung.Aber wie wäre es, wenn wir dieselbe Beharrlichkeit wie beim Schlüsselsuchen an den Tag legen würden, wenn es darum geht, sich Menschen liebevoll und wertschätzend zuzuwenden, die Hilfe von aussen brauchen können? Wie beharrlich sind wir dabei?Es tut jedem gut, wenn er die Erfahrung machen darf: Ich bin wichtig, jemand setzt sich für mich ein. Ich bin in einer Lage, wo ich selbst mir nicht helfen kann, aber es ist jemand unterwegs zu mir.In vielem geht es nicht darum, ob sich der Aufwand lohnt, oder ob ein Vorteil für uns selbst darin liegt. Wer diese Freude einmal selbst gespürt hat, zögert nicht, diese Freude auch andere spüren zu lassen.Renato TolfoPfarrer in Rebstein

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