06.12.2019

Aus christlicher Sicht: Der Leib – das Zuhause meiner Seele

Befragt, wie sie ihren Körper finden, antworten fast alle Frauen: Zu dick, alt, faltig, zu grosse Nase, dicke Beine, zu kleiner Po – selbst zierliche ältere Damen finden sich oft zu füllig.

Von Silke Dohrmann
aktualisiert am 03.11.2022
Wir Frauen sind erfinderisch darin, unseren Leib als Problemzone zu beschreiben. Ich habe als junge Frau viele Diäten probiert, um dann vor allem ans Essen denken zu müssen und dann völlig hirnlos zu futtern. Wie viel Zeit und Gedanken habe ich damit verschwendet! Wie viele negative Gefühle habe ich meinem doch so gut funktionierenden Körper entgegengebracht!Dieses Phänomen ist weltweit verbreitet – und scheint ein gutes Geschäftsmodell für viele Verkaufszweige zu sein, von Kosmetika, Diätmahlzeiten, Schönheitsoperationen bis zu Zeitschriften und Ratgebern, wie man sein Selbstbewusstsein wieder aufpeppen kann.Woher kommt das? Sind es die «Glaubenssätze»: Wer dünn ist, ist gesund? Wer gut aussieht, ist erfolgreich? Oder haben sich die Werbebotschaften der Schlankheits-Industrie in unsere Gehirne und in unser Empfinden so hineingedrängt, sodass wir sie für normal halten?Bei einer Frau mag ich ihre festen, weichen Hände, die einen so warm und mütterlich halten. Bei einer sehr runden Frau staune ich, wie viel Geborgenheit sie vermittelt – einfach durch ihre starke, selbstbewusste Präsenz. Im Orient heisst das Wort für schwer auch gleichzeitig Ehre. Gewichtig eben.Gönnen wir es uns doch, so gewichtig zu sein, wie wir eben sind, und beschäftigen uns statt mit unserem Äusseren damit, dass wir gewichtiger werden: Zuverlässig, verantwortungs- und liebevoll gegenüber unserem eigenen Körper, aber auch gegenüber unseren Mitgeschöpfen; in Dankbarkeit gegenüber unserem Leib, der unserer Seele ein gutes Zuhause gibt.«Der Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes», heisst es im 1. Korintherbrief 6, 19. Das dreifache Gebot der Liebe ist nicht nur geistig gemeint: «Du sollst deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und aller Kraft und deinem Verstand und deinen Nächsten wie dich selbst.» Die Selbst-Liebe ist das Fundament der Nächstenliebe und des Gottvertrauens. Von der christlichen Tradition wissen wir, dass sie vielfach leibfeindlich war. Doch war das je so folgenreich wie diese neue Religion, der angeblich perfekten Körper, die die Selbstliebe von käuflichen Produkten abhängig macht?Ich hoffe, dass unsere beiden Enkelinnen von dieser verbreiteten Scham über ihren Körper frei bleiben. Dass sie ihr wunderbares Selbstbewusstsein auch über die Pubertät hinaus bewahren können und weiter ihre Welt erkunden – nicht nur mit den Augen, sondern mit Herz, Geist und Verstand und allen Sinnen!

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