08.04.2022

Aus christlicher Sicht: Der Esel, der Vater und der Sohn

Ein Sprichwort heisst: «Allen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.» Dazu eine kurze Geschichte...

Von Lucas Kägi
aktualisiert am 02.11.2022
Ein Vater zog mit seinem Sohn und einem Esel in der Mittagshitze durch die staubigen Gassen. Der Sohn führte und der Vater sass auf dem Esel: «Der arme kleine Junge», sagte ein vorbeigehender Mann. «Seine kurzen Beine versuchen, mit dem Tempo des Esels Schritt zu halten. Wie kann man nur so faul auf dem Esel sitzen, wenn man sieht, dass das Kind sich müde läuft?» Der Vater nahm sich dies zu Herzen, stieg hinter der nächsten Ecke ab und liess den Jungen aufsitzen. Es dauerte nicht lange, da erhob schon wieder ein Vorübergehender seine Stimme: «So eine Unverschämtheit! Sitzt doch der kleine Bengel wie ein König auf dem Esel, während sein armer, alter Vater nebenherläuft.» Dies tat nun dem Jungen leid und er bat seinen Vater, sich mit ihm auf den Esel zu setzen. «Ja, gibt es so was?», fragte eine alte Frau. «So eine Tierquälerei! Dem armen Esel hängt der Rücken durch und der junge und der alte Nichtsnutz ruhen sich auf ihm aus. Der arme Esel!» Vater und Sohn sahen sich an, stiegen beide vom Esel herunter und gingen neben dem Esel her. Dann begegnete ihnen ein Mann, der sich über sie lustig machte: «Wie kann man bloss so dumm sein? Wofür hat man einen Esel, wenn er einen nicht tragen kann?» Der Vater gab dem Esel zu trinken und legte dann die Hand auf die Schulter seines Sohnes. «Egal, was wir machen», sagte er, «es gibt immer jemanden, der damit nicht einverstanden ist. Ab jetzt tun wir das, was wir selbst für richtig halten!» Der Sohn nickte zustimmend.«Allen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.» Das muss ich mir bei meinen Arbeiten für die Ausbildung am TDS (Höhere Fachschule Theologie, Diakonie, Soziales in Aarau) auch manchmal sagen. Wenn ich wieder Stunden in Arbeiten investiere, die eigentlich schon fertig sind. Nur, um zu verhindern, dass hier oder dort ein Dozent oder eine Dozentin etwas auszusetzen hätte.Kennen Sie solche Situationen auch? Man will es allen recht machen, gibt sein Bestes und am Schluss? Ja, da kommt dann noch einer daher, den man nicht einkalkuliert hatte und meint: «Also das hätte ich jetzt anders gemacht.»Das Schöne ist: Ich bin ich und du bist du. Wenn wir es alle gleich täten, wäre die Welt doch ziemlich grau. Ich persönlich mag es lieber bunt. Und ich denke, Gott sieht das genauso. Wieso hätte er uns sonst mit unterschiedlichen Talenten gesegnet und nicht einfach allen die gleichen gegeben?Lucas Kägi Jugendarbeiter in RebsteinSozialdiakon in Ausbildung

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