17.11.2018

Aus christlicher Sicht: Arme Menschen sind auch Menschen

Papst Franziskus hat den dritten Sonntag im November als «Welttag der Armen» eingeführt, beim Abschluss des Jahrs der Barmherzigkeit am 20. November 2016.

Von Reinhard Paulzen
aktualisiert am 03.11.2022
Franziskus ist ein Papst, auf den sehr viele Christen stolz sind, katholische und evangelische. Was er zu den Themen menschliche Wirtschaftsordnung, Barmherzigkeit statt Gesetzlichkeit, Schutz der Natur und Freude an der Liebe sagt, das tut uns gut. Und doch sagt er auch Dinge, die gar nicht allen passen. So ist es vielleicht eine zweischneidige Sache, an der sich die Geister scheiden, wenn Papst Franziskus uns einen «Welttag der Armen» im Kalender hinterlässt. Klar, wenn wir als Rom-Touristen auf dem Petersplatz die neu aufgestellten Duschkabinen und WC-Häuschen und Wolldeckenstapel für die Obdachlosen sehen, dann können wir das toll finden, denn: Rom und Petersplatz sind ja weit weg von Zuhause. Wir können uns freuen über das Jesus-Wort: «Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes», weil es so schön tröstlich ist.Aber was ist, wenn uns die Armen zu nah auf die Pelle rücken? Dann sind es oft die Flüchtlinge und die Asylsuchenden, über die die Meinungen sowieso auseinandergehen – oder die Bettler, von denen wir uns auch gestört fühlen, die uns lästig fallen. Dann können wir nicht sicher sein, ob der vor mir wirklich in Not ist, oder ob er zu den wenigen gehört, die von Gut-Organisierten losgeschickt und abends abkassiert werden. Dann fühlen wir uns hilflos. Wir können sowieso nicht alle Armut überwinden, das macht uns doppelt hilflos, das ist ärgerlich.Und doch will ich mir am Welttag der Armen neu sagen lassen: Auch die Armen sind Menschen. Sie wollen menschlich, wie Menschen behandelt werden. Vielleicht ist dieser Mensch vor mir in dem Moment ja wirklich in einer Notlage. Und viele gute Organisationen leisten gute Hilfe.Welttag der Armen erinnert mich daran: Mit wie viel Zuversicht manche Arme ihr Leben meistern, mit wie viel Zuversicht sie vorwärtsblicken, wo andere schon längst resigniert hätten. Ich denke an eine Bettlerin aus Osteuropa. Sie hat immer wieder schlecht bezahlte Jobs gefunden, die nie zum Leben reichten, sie hat von der Hand in den Mund gelebt. Dann erzählt sie: «Ich bin im fünften Monat schwanger. Der Arzt sagte, ich bin viel zu alt dafür. Und der Vater hat verlangt, dass ich es wegmache. Da haben wir uns ganz getrennt. Ich freu mich ganz fest auf das Kind. Gott hat bisher noch immer geholfen, irgendwie wird Gott weiterhelfen.» Sie hat gelacht und gestrahlt. Voll Vorfreude und Zuversicht.Reinhard PaulzenPastoralassistent in Heerbrugg

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