Keine Frage: Die Abwahl ihres bisherigen Kantonsrats Alexander Bartl ist natürlich nicht im Sinne der Partei. Allerdings hat sie keinen Sitz verloren, sondern ihre Kandidatin Claudia Graf hat die parteiinternen Erwartungen so sehr übertroffen, dass Parteikollege Bartl von ihr aus dem Rat verdrängt wurde. Dass die beiden auf einem der grossen Wahlplakate als Duo abgebildet waren, wirkt im Rückblick wie die bittere Ironie dieser Wahlgeschichte.FDP-Wahlkampfleiter Ruedi Kobelt aus Marbach sagt, es sei erwartet worden, dass die Sonnenbräu-Chefin ordentlich Stimmen machen würde. Er selbst habe mit einer über 50-prozentigen Chance auf einen vierten Sitz gerechnet – doch es habe leider nicht geklappt. Bei den Kantonsratswahlen vor vier Jahren sei man dem vierten Sitz näher gewesen.Die Einschätzung im Wahlstab war uneinheitlich. Für den Fall, dass es mit dem Sitzgewinn nicht klappen sollte, hatte man sich allerdings ein etwas anderes Szenario vorgestellt als die Verdrängung Bartls durch Graf. Vielmehr hatte man auf die Bestätigung der bisherigen drei FDP-Kantonsräte und Claudia Graf als ersten Ersatz gesetzt.Sonnenbräu-Fanclub: «Wir sind politisch neutral»Hat der Sonnenbräu-Fanclub mit seinen bald 5000 Mitgliedern tatkräftig mitgeholfen, um der Sonnenbräu-Chefin das beste Resultat aller Kandidatinnen und Kandidaten zu ermöglichen? – Carsten Zeiske, der Marketingverantwortliche des Fanclubs, verneint dies. Der Club lege grossen Wert auf politische Neutralität.Zwar habe Wahlkampfleiter Ruedi Kobelt sich an den Club gewandt, doch dieser bleibe seiner Linie treu, sagt Zeiske. So könnten an der Hauptversammlung auch niemals Flyer aufgelegt werden. Claudia Grafs Kandidatur sei zwar in einem Newsletter erwähnt gewesen, bestätigt Zeiske, dieser sei aber von der Firma Sonnenbräu verschickt worden. Der Fanclub selbst versende keine Verteilernachrichten.Claudia Graf, die glanzvoll Gewählte, sagt, sie habe vor den Wahlen öfter die Einschätzung gehört, dass sie den Sprung in den Kantonsrat schaffe.Sie selbst sei sich da weniger sicher gewesen, aber die Freude sei gross. Sie ist sich bewusst, dass reichlich Zusatzarbeit auf sie zukommt, doch sie sei gut vorbereitet: Schon im letzten Jahr sei jemand im Marketing angestellt worden, wodurch sie ein Stück weit entlastet werde. Die für die Politik nötige Zeit werde zumindest zu einem schönen Teil wohl auf Kosten ihrer Freizeit gehen.Bartl setzt sich auch künftig politisch einSollte im Laufe der nächsten vierjährigen Amtsperiode einer der drei Rheintaler FDP-Sitze frei werden, hätte der abgewählte Alexander Bartl als 1. Ersatz die Möglichkeit, in den Kantonsrat nachzurücken bzw. zurückzukehren. Ob er dies tun würde, sei offen, sagt er. Hingegen sei klar, dass er weiterhin politisch tätig bleibe. Er sei ja auch seit Kurzem am neuen Verein IG Ortsplanung Widnau beteiligt und habe sich im Zusammenhang mit diesem Verein vor den Wahlen bewusst zurückgehalten. Bartl sagt, er habe sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, er mache bei der IG Ortsplanung nur wegen der Wahlen mit.Zum Wahlergebnis meint er, es hätte ihn überrascht, wenn Claudia Graf nicht gewählt worden wäre. Er habe schon immer gesagt, sie sei «der Roger Federer des Rheintals».Mehr Zeit für die Familie haben, ist auch sehr schönBartl selbst erging es nun ähnlich wie dem Rüthner CVP-Politiker Thomas Ammann bei den Nationalratswahlen im Herbst. Ammann wurde trotz eines Glanzresultats abgewählt.Alexander Bartl hat bei den Kantonsratswahlen im Rheintal das zehntbeste Ergebnis erzielt. Mit seinen 4577 Stimmen wäre er auf jeder anderen Liste in den Kantonsrat gewählt bzw. als Kantonsrat bestätigt worden. Nur auf der FDP-Liste klappte das nicht. Allerdings ist anzumerken, dass Bartl (wie Britschgi und Huber) auf der Liste seiner Partei doppelt aufgeführt war - ein Vorteil, den Kandidatinnen und Kandidaten auf anderen Listen nicht hatten.Trotz allem: Alexander Bartl blickt mit einem weinenden und einem lachenden Auge zurück. Mehr Zeit für die Familie zu haben, sei ja auch sehr schön. Die Kinder wird es freuen, sie sind acht und fünfeinhalb.