Hildegard BickelEs ist die Zeit, in der sich Weichen stellen. Eltern begleiten in den kommenden Wochen ihre Kinder zum entscheidenden Gespräch mit der Lehrperson, das den weiteren schulischen Weg weist. Auf den Pausenplätzen tauschen sich die Schülerinnen und Schüler aus, ob sie in die Sek oder Real kommen.Wobei für begabte Kinder die Frage lauten könnte: Sek oder spezielle Vorbereitung für die Kantonsschule? Bereits nach der 6. Klasse können begabte Kinder den gymnasialen Weg einschlagen. Das Untergymnasium entspricht dem 7. und 8. Schuljahr und führt über eine Aufnahmeprüfung. Das Angebot bildet jedoch eine Nische in der Begabtenförderung. Oberstufen setzen umso mehr auf integrative Förderung in der Sekundarschule.Nur drei Kinder in zehn JahrenEs ist eine geringe Zahl von Rheintaler Schülerinnen und Schülern, die sich für Aufnahmeprüfungen an den nächstgelegenen Untergymnasien Untere Waid, Mörschwil, und Kantonsschule am Burggraben in St. Gallen anmelden. In Rheineck waren es in den vergangenen zehn Jahren drei Kinder, wie Oscar Kaufmann, Präsident der Schulkommission, sagt.Exakt dieselbe Schülerzahl nennt Roger Trösch, St. Margrether Schulratspräsident. «Während meiner zehnjährigen Amtszeit besuchten drei Kinder das Untergymnasium.» Ob aktuelle Anmeldungen vorliegen, kann er noch nicht beantworten. «Es gilt, die Prüfungen Ende März abzuwarten, da die Anmeldungen zur Prüfung direkt durch die Eltern beim Sekretariat der Kantonsschule eingereicht werden.»Mehr Nachfrage wäre erwünschtJeannette Wick, Rektorin am privaten Gymnasium Untere Waid, bedauert, dass die Nachfrage nicht stärker ist. Kinder und Jugendliche seien in einem leistungsfähigen Alter. Es gehe darum, das Potenzial jener zu fördern, die Leistungen liefern können. «Das Schlimmste ist, wenn es den Kindern in der Schule langweilig wird», sagt sie. «Ohne sie zu überfordern, darf man den Kindern auch etwas zumuten. Besonders mit Latein, wo sie sprachliche Strukturen erlernen.»Das Vorurteil, das Untergymnasium sei eine Eliteschule, widerlegt die Rektorin. Die Klassen seien nicht nur Hochbegabten zugänglich. Wer die Aufnahmeprüfung besteht, darf bleiben, es gebe keine Absagen. Bei grossen Klassen werden Halbklassen geführt. Das Schulgeld wird nach dem steuerbaren Einkommen der Eltern berechnet. Die Untere Waid bietet pro Jahrgang eine Klasse an, beim Untergymnasium und Gymnasium macht das sechs Klassen. Dank des familiären Umfeldes kennt Jeannette Wick alle Schüler beim Namen, spontan kann sie je einen Schüler aus Widnau und Oberriet aufzählen, die das Gymnasium besuchen. Auch wenn sie sich derzeit mehr Nachfrage wünscht, glaubt sie nicht, dass das Interesse am Untergymnasium schwindet. Hingegen würden sich geburtenschwache Jahrgänge bemerkbar machen, wie auch die allgemein tiefe gymnasiale Quote im Kanton. Mit knapp 15 Prozent Maturitätsquote bildet der Kanton St. Gallen im interkantonalen Vergleich regelmässig das nationale Schlusslicht, zusammen mit einigen wenigen Deutschschweizer Kantonen. Wobei die Meinungen betreffend der Frage Matur oder Lehre auseinandergehen. Auch der duale Bildungsweg bietet attraktive Möglichkeiten, ein hohes Niveau zu erreichen, wie etwa eine Lehre mit Berufsmatura.Keine Vorbereitungsklasse mangels InteresseEine eigene Lösung, um begabte Schüler zu fördern, bietet die Oberstufe Mittelrheintal. Dank der Grösse von fünf parallel geführten Sekundarklassen kann die OMR seit jeher eine Klasse mit erhöhten Anforderungen bilden, um Schüler im 7. und 8. Schuljahr an die Kanti-Aufnahmeprüfung heranzuführen. Mit einer Ausnahme. Letzten Sommer gingen zu wenig Anmeldungen ein. Schulleiter Markus Waser wunderte sich. Manchmal sei ein Gruppeneffekt spürbar, dass Schüler vielleicht doch nicht in die Vorbereitungsklasse wollen. Die starken Schüler werden daher in der Regelklasse differenziert gefördert. Wenn die Zeit für die Prüfungsvorbereitung beginnt, können sie zusätzliche Lektionen besuchen.Auch an der Oberstufe Rebstein-Marbach gehört integrative Förderung von begabten Schülern zum Stundenplan. Das Untergymnasium ist daher kaum ein Thema. Mit Wahlfächern können sich Schüler der zweiten Sek auf die Kanti-Aufnahmeprüfung im März vorbereiten. Fehlen danach die Zugpferde in den Klassen? «Natürlich verlassen starke Schüler die Klasse», sagt Jürg Germann. «Andererseits gelingt es Schülern aus der zweiten Reihe, zu punkten.»Durchschnittlich wechseln zwei bis vier Jugendliche aus einer Klasse mit 20 Schülern von der zweiten Oberstufe an die Kantonsschule. Dabei lässt sich beobachten, dass der Latein-Trumpf sticht. Jugendliche, die Latein besuchen, bestehen in der Regel auch die Aufnahmeprüfung.