11.12.2018

Auf der Bühne mit Tina Weirather

Der Kriessner Urs Graf ist zum Liechtensteiner Trainer des Jahres gekürt worden. Der Nationaltrainer im Fürstentum hat weitere ehrgeizige Pläne: Er möchte ein regionales Weltcup-Team aufbauen.

Von Andrea Kobler
aktualisiert am 03.11.2022
Andrea KoblerEr war Nationaltrainer der Schweizer Mountainbiker, Betreuer von Weltmeistern und Olympiasiegern. Seit drei Jahren formt er mit Freude und Begeisterung die Radfahrer Liechtensteins. Jetzt wurde der Kriessner Urs Graf als erster Liechtensteiner Trainer des Jahres ausgezeichnet.Sie wurden am Sonntag an der Nacht des Sports in Schaan zum Liechtensteiner Trainer des Jahres gewählt. Sind Sie überrascht?Urs Graf: Extrem. Ich hätte nie damit gerechnet. Beim Einlass fragte mich Martin Püntener (Vorstandsmitglied des Liechtensteiner Radfahrerverbandes), wo meine Krawatte sei. Ich lächelte und gab ihm zur Antwort, dass ich mich in die hinterste Reihe setze und den Abend geniesse. Ich habe keine Sekunde daran gedacht, schliesslich auf der Bühne zu stehen.Der Titel «Trainer des Jahres» wurde erstmals vergeben. Bestimmt haben Sie sich riesig gefreut, diesen entgegennehmen zu dürfen.Es freut mich sehr, dass man in Liechtenstein spürt, was und wie ich arbeite.Weshalb denken Sie, fiel die Wahl auf Sie?Unser Aufbau trug an den Kleinstaatenspielen vor zwei Jahren in San Marino die ersten Früchte. Unsere Fahrer Loris Dal Farra und Konstantin Alicke belegten die Ränge 5 und 20. Dieses Jahr feierten wir mit unserem Fahrer Romano Püntener beim Team-event der Jugend-Europameisterschaft den U15-Europameistertitel. Es ist der erste für die Sportschule Liechtenstein.Was bedeutet Ihnen der Titel?Für mich ist er eine Anerkennung. Als Nationaltrainer in Liechtenstein wird man genau beobachtet. Die Wahl zeigt, dass meine Arbeit geschätzt wird. Das freut mich. Ausserdem ist es nicht schlecht, mit dem Ski-Ass und Olympia-Bronzemedaillen-Gewinnerin Tina Weirather auf derselben Bühne zu stehen und einen Abend mit den vielen guten Sportlerinnen und Sportlern zu verbringen, die das kleine Land Liechtenstein präsentieren.Ich nehme an, dass die Arbeit in Liechtenstein ganz anders ist als diejenige als Schweizer Nationaltrainer.Ja, das ist sie. Die Schweizer Fahrer wie Nino Schurter waren bereits geformt, als ich sie betreute. Ich konnte nur noch kleine Mosaiksteine bewegen. Hier kann ich mehr Einfluss nehmen. Als ich das Amt in Liechtenstein vor drei Jahren annahm, fragte man mich, wie lange es gehe, bis sich die ersten Erfolge einstellen. Ich pochte auf Geduld. Die Fahrer brauchen Zeit, um zu wachsen. Jetzt haben wir bereits zwei sehr erfolgreiche Jahre hinter uns. Wir haben viele junge Fahrer in unseren Reihen, die schnell fahren. Aber es kann sein, dass wir erneut Geduld benötigen, bis sich die nächsten Erfolge einstellen.In ihrer Arbeit steckt viel Leidenschaft. Im Training setzen Sie oft auch auf Spass. Ist das Ihr Leitsatz?Es muss an der Sportschule das Ziel sein, Athletinnen und Athleten an die Weltspitze zu bringen. Doch um im Sport absolute Spitze zu sein, muss man im richtigen Moment am richtigen Ort sein und zudem Glück haben. Deshalb ist es ebenso wichtig, dass die Athletinnen und Athleten, wenn sie 20 Jahre alt sind, noch Freude am Radsport respektive am Sport im Allgemeinen haben. Habe ich das geschafft, habe ich aus meiner Perspektive einen grossen Beitrag an die Gesellschaft geleistet. Auf diesem Gedanken basiert meine Trainingsphilosophie.Sie sind in Liechtenstein Nationaltrainer der Radfahrer, betreuen an der Sportschule aber nur Mountainbiker. Das kommt Ihnen wohl entgegen.Obwohl wir derzeit lauter Mountainbiker in der Sportschule haben, muss das Training – wir trainieren jede Woche an vier Nachmittagen – das ganzheitliche Radtraining beinhalten. So steht Anfang Jahr ein Radballtraining mit den Liechtensteiner B-Weltmeistern Markus und Lukas Schönenberger auf dem Programm. Zudem ist es Pflicht, dass jede Schülerin und jeder Schüler jedes Jahr ein Strassen- sowie ein Querrennen bestreitet.Welches sind Ihre Ziele für die kommenden Jahre?Die Junioren-EM ist auch 2019 ein Fixpunkt. Zudem wird der Swiss Bike Cup immer wichtiger, und für Nicole Göldi ist die Juniorinnen-Weltmeisterschaft ein realistisches Ziel.Bestimmt verfolgen Sie nach wie vor die Mountainbike-Szene im Rheintal. Was tut sich hier?Klar mache ich das! Eine Fahrerin und sechs Fahrer trainieren zweimal pro Woche in meinem bsk-Graf-Team. Mein U19-UCI-Team mit Stiven Thür (Berneck), Justin Weder (Diepoldsau), Loris Dal Farra (Schaanwald) und Nicole Göldi (Sennwald) werde ich kommendes Jahr in den Junioren-Weltcup einführen. Die U17-Fahrer Nico Grab (Thal), Flavio Knaus (Ruggell) und Timo Fischer (Feldkirch) ziehe ich mit, wenn es sinnvoll ist.Der frühere U15-Europameister Stiven Thür hat letztes Jahr erstmals Rennen auf Weltcupebene bestritten. Er musste viel Lehrgeld zahlen.International wird viel härter gefahren als in der Schweiz. Hier heisst es im Feld der 150 Junioren zu Beginn hinten zu starten, Ellbogen zu zeigen und sich Richtung Spitze zu bewegen. International gibt’s nach dem Startschuss keine Kollegen mehr. Stiven Thür wird übernächstes Jahr in die U23 aufsteigen. Dann ist es mein Ziel, um ihn herum ein U23-Team aufzubauen. Einfach wird es nicht, denn es wird eine immer grössere Herausforderung, Sponsoren zu finden.Was benötigt es, um auch in Zukunft Weltcupfahrer wie Thomas Litscher und Jolanda Neff herauszubringen?Für die jungen Fahrer viel Spass im Training. Dazu muss sich ein gewisser Erfolg einstellen. Das Umfeld aber ist das Wichtigste. Man muss mit Freude an die Wettkämpfe gehen, die Kameradschaft muss stimmen, man muss einander helfen, nicht neidisch sein und auch einmal zu einem Fahrer stehen, wenn er nicht so erfolgreich ist. Das erlebe ich in meinem Team und auch als Liechtensteiner Nationaltrainer. Hier wird das nicht nur gepredigt, sondern gelebt.Sportlerwahlen seit 1970Seit 48 Jahren werden jährlich die besten Liechtensteiner Sportlerinnen und Sportler gekürt. Organisiert und durchgeführt wird die Wahl vom Liechtenstein Olympic Comittee (LOC). Die Preisträger 2018 sind Tina Weirather (Ski alpin), Christoph Meier (Schwimmen) und Lara Mechnig/Marluce Schierscher (Synchromschwimmen). Der von Urs Graf gewonnene Titel «Trainer des Jahres» wurde erstmals vergeben.Tina Weirather wurde bereits zum achten Mal zur Sportlerin des Jahres gekürt, bald dürfte sie ihre Mutter Hanni Wenzel in dieser Rangliste überholen, die Rekordsiegerin gewann neunmal. Auch bei den Männern dominieren die Skirennfahrer: Die ewige Rangliste wird von Marco Büchel (8 Siege) vor Paul Frommelt (7) und Andreas Wenzel (5) angeführt.Nicht zu verwechseln, ist die Preisverleihung mit der des Liechtensteiner Fussballverbands (LFV), der kürzlich Rebsteins Coach Daniele Polverino zum Trainer des Jahres kürte. (ys)

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