07.06.2022

Asylsuchende lernen Deutsch

Erwachsene im Altstätter Bundesasylzentrum, die auf den Asylentscheid warten, können neuerdings Tipiti-Deutschkurse besuchen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Gert BrudererSchon seit März 2019 führt der Verein Tipiti (mit Zentralsekretariat in Wil) für das Bundesasylzentrum (BAZ) die Volksschule. Gegenwärtig werden 77 Kinder und Jugendliche in fünf Klassen unterrichtet; vier dieser Klassen werden von 14- bis 17-Jährigen besucht, also von Oberstufenschülerinnen und -schülern. Über zwei Drittel aller Unterrichteten sind unbegleitet, ohne ihre Familie hier.Der Unterricht erfolgt grösstenteils im ehemaligen Union-Gebäude an der Bahnhofstrasse und im benachbarten Haus an der Kriessernstrasse, aber auch im früheren EgoKiefer-Bürogebäude wird eine Klasse geführt.Schule 18+ ist eine Tipiti-InitiativeDer Volksschulbetrieb durch Tipiti ist mit einer Leistungsvereinbarung zwischen Verein und Kanton geregelt. Die neue Freiwilligenschule 18+ für Erwachsene bietet Tipiti hingegen aus eigener Initiative an. Die Asylsuchenden können sich in Deutsch unterrichten lassen und lernen dabei auch einiges über das Leben in der Schweiz. Als Unterrichtszimmer dient einer von zwei Containern beim Bundesasylzentrum. Die Container waren vom Staatssekretariat für Migration (SEM) ursprünglich als Aufenthalts- und Sitzungsräume errichtet worden und erfüllen nun einen zusätzlichen Zweck.Ein Abschied ist nicht möglichDie erwachsenen Asylsuchenden haben dreimal wöchentlich die Möglichkeit, am Deutschunterricht teilzunehmen. Obschon das Angebot erst in der vierten Woche besteht, haben schon fast vier Dutzend Interessierte mitgemacht. Die Zahl der Teilnehmenden schwankt von Tag zu Tag. Ein Grund ist die Aufenthaltsdauer. Die Menschen im Bundesasylzentrum sind in aller Regel höchstens hundert Tage hier, oft ist der Aufenthalt viel kürzer. Von Altstätten gelangen die Asylsuchenden entweder nach Kreuzlingen (um dort nach einem ablehnenden Entscheid die Rückführung abzuwarten) oder in einen anderen Kanton, sei es für ein erweitertes Verfahren oder dank der Erteilung des Bleiberechts. Von einer Verlegung erfahren die Asylsuchenden jeweils erst am Tag davor, so dass es den Unterrichteten und den freiwillig Unterrichtenden nicht möglich ist, voneinander Abschied zu nehmen.Mehr Lehrende sind willkommenDen Deutschunterricht im Container erteilen derzeit fünf Frauen. Die einheimische Corinne Buschor als eine von ihnen ist von Beruf Lehrerin und schulpädagogische Heilpädagogin, es sind aber auch pädagogisch nicht ausgebildete Frauen und Männer als Kursleitende willkommen, sofern sie über das nötige pädagogische Geschick verfügen, kontaktfreudig sind und ihre Grundhaltung mit jener des Vereins Tipiti übereinstimmt. Wer mitwirkt, erhält eine Spesenentschädigung. Gern würde der Verein mit mehr Freiwilligen zusammenarbeiten, um die eineinhalb Kursstunden möglichst jeden Vormittag anzubieten.[caption_left: Eva Graf aus Lüchingen leitet die Tipiti-Schule im BAZ Altstätten.]Am Deutschunterricht kann jeder und jede Asylsuchende teilnehmen, ganz gleich, ob er Vorkenntnisse hat oder nicht. Während manchen sogar unsere Schrift völlig neu ist, können sich andere schon etwas verständigen oder erfreuen sich eines verhältnismässig guten Niveaus wie beispielsweise ein Architekt aus der Türkei. Wer ganz am Anfang steht und unsere Schrift nicht kennt, absolviert zuerst einen Leselehrgang und macht sich mit unseren Buchstaben und dem Zusammensetzen von Silben vertraut. Am Anfang jeder Lektion steht eine kurze gegenseitige Begrüssung.Angehende Lehrkräfte haben Dossiers erarbeitetAls Glücksfall bezeichnet die in Lüchingen lebende Tipiti-BAZ-Schulleiterin Eva Graf ein Projekt, das drei angehende Lehrerinnen und ein angehender Lehrer der Pädagogischen Hochschule Rorschach erarbeitet haben.Ausgehend von Unterrichtsmaterial, das in der BAZ-Volksschule verwendet wird, hat das Quartett Unterrichtsmaterial für die Erwachsenendeutschkurse aufbereitet. Zur Verfügung stehen verschiedene Dossiers zu Themen wie Familie, Verkehr, Nahrungsmittel oder Gesundheit.Für die Asylsuchenden geht es nicht nur darum, sich möglichst rasch in unserer Sprache auszudrücken und verständigen zu können. Der Deutschunterricht im Container ist auch ein wichtiger Teil einer sinnvollen Tagesstruktur.Hinweiseva.graf@tipiti.ch tipiti.ch

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