08.05.2020

Am «geistigen Haus» Gottes bauen

Eine mittelalterliche Kathedrale, deren Bauzeit mehrere Jahrhunderte lang dauerte, lässt mich jedes Mal von Neuem staunen. Die Bauherren erlebten oft die Vollendung nicht. Diese Tatsache entmutigte sie jedoch nicht, sondern liess sie fest an das Projekt glauben.

Von Stefan Kiesewetter
aktualisiert am 03.11.2022
Meister Gerhard beispielsweise, der erste Dombauherr des Kölner Doms, entwarf 1248 die Pläne für dieses Meisterwerk der gotischen Baukunst. Erst 1880, nach langjährigem Baustopp, wurde der Sakralbau am Rhein vollendet. Obwohl Meister Gerhard wusste, dass er die Fertigstellung der Kathedrale nicht erleben würde, legte er Stein für Stein aufeinander und begründete so das Fundament für eine der schönsten Kirchen Europas.In der heutigen zweiten Lesung wird ebenfalls von einem Bauwerk, dem «geistigen Haus» Gottes, gesprochen. Bildhaft wird Jesus Christus als «Eckstein» bezeichnet, der von den Menschen verworfen, von Gott aber auserwählt wurde.Steine scheinen im ersten Moment etwas Lebloses darzustellen. Dennoch lebt jedes Haus von den Bewohnern – erst die Menschen erfüllen jedes Gebäude mit Leben. Wenn der Verfasser alle Leser und Hörer dazu aufruft: «Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen», so benutzt er das bekannte Bild eines Gebäudes, um die Gemeinschaft der Gläubigen darzustellen.Wir alle bilden dieses «geistige Haus», das aus unzählbar vielen einzelnen Steinen aufgebaut ist. Die Christen vor uns und ebenso nach uns – wir alle sind ein Teil dieser Gemeinschaft. Durch die Taufe haben wir nicht nur Anteil am österlichen Sieg über den Tod, sondern sind auch Teil der grossen Gemeinschaft der Christen, die es seit mehr als 2000 Jahren gibt. Gott baut mit uns allen sein Haus auf, das nicht aus leblosen Steinen, sondern aus unseren Existenzen besteht. Deshalb ist dieser «Bau Gottes» auch nie abgeschlossen, sondern erfährt jeden Tag neu einen Weiterbau.Vielen Menschen fehlt in den Tagen der Gesundheitskrise eben diese Gemeinschaft der Gläubigen. Aber im Gebet sind wir miteinander verbunden und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen. Jeder Gläubige und jede Gläubige trägt mit eigenem Engagement und persönlichen Talenten dazu bei, dass die Communio so vielseitig ist, wie es die Steine an einer mittelalterlichen Kathedrale eben auch sind. Kein Stein gleicht dem anderen und trotzdem vermögen sie nur zusammen, als Mauern, zu halten und ermöglichen die Stabilität des Gebäudes.Die heutige Lesung kann allen, die sich auf ein Wiedersehen in den jeweiligen Kirchen freuen, Mut zusprechen, denn wer glaubt, ist nie alleine.Stefan KiesewetterPastoralassistent in Au

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