25.03.2021

Altstätter Sozialhilfequote sinkt

Vergleicht man die St. Galler Städte, beziehen in Altstätten prozentual am wenigsten Menschen Sozialhilfe.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Zentrumsgemeinden und Städte sind bekannt dafür, dass sie viele Menschen beheimaten, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Betrachtet man die neun statistischen Städte des Kantons St. Gallen, trifft das teilweise zu: Flawil, Rorschach, St. Gallen und Wil liegen deutlich über dem kantonalen Schnitt von 2,1 Prozent. Alle anderen Städte weisen einen durchschnittlichen oder tieferen Bevölkerungsanteil auf, der finanzielle Unterstützung bekommt – darunter auch Altstätten. Nicht nur das: Gemeinsam mit Gossau verzeichnete die Rheintaler Stadt mit 1,3 Prozent 2019 die tiefste Sozialhilfequote unter den neun statistischen Städten (siehe Grafik). In fünf Jahren von 2,6 auf 1,3 ProzentWie aus dem Bericht der kantonalen Fachstelle für Statistik hervorgeht, konnte Altstätten seine Quote in den letzten fünf Jahren sogar am stärksten senken: 2019 war sie noch halb so hoch wie 2015. Weiter fallen dürfte sie auch bei der nächsten Erhebung – zumindest lassen das die Sozialhilfeausgaben der Stadt vermuten, die 2020 um einen knappen Drittel gesunken sind. Den kleiner werdenenden Bevölkerungsanteil, der Sozialhilfe bezieht, führt Stadtpräsident Ruedi Mattle auf mehrere Massnahmen zurück, vorrangig in der Arbeitsintegration. Dabei habe der Stadt die positive wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre in die Karten gespielt – aber nicht nur. Das Sozialamt arbeite enger mit den Arbeitgebern der Region zusammen als früher. «Dank der Kooperationsbereitschaft resultieren immer wieder Praktika oder Festanstellungen», sagt Mattle. Auch die Zusammenarbeit mit dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum Heerbrugg (RAV) sowie der Eingliederungsabteilung der IV-Stelle St. Gallen sei in den vergangenen Jahren vertieft worden, was zusätzliche Eingliederungsmöglichkeiten eröffne. Ausserdem ergäben sich für arbeitsfähige Sozialhilfeklienten, die sich in Arbeitsintegrationsprojekten befinden, oft Anschlusslösungen bei Arbeitgebern.Hilfe anbieten, bevor es ums Geld gehtIntensiviert hat die Stadt aber auch die Prävention – und das schon in einem frühen Stadium. Seit 2012 bietet die Jugendarbeit Oberes Rheintal flächendeckend Schulsozialarbeit in sämtlichen Schulhäusern von Rebstein bis Rüthi an. Durch den kostenlosen, unkomplizierten Zugang würden sich anbahnende Problemsituationen frühzeitig erkannt. Dieses ergänzende Angebot zur Jugendberatung habe sich auch in Altstätten etabliert, die Nachfrage steige stetig. Gemäss Mattle ist auch der Anteil der freiwilligen Sozialberatungsdossiers in den vergangenen drei Jahren deutlich gestiegen. «Durch frühzeitige Unterstützung in sämtlichen Lebensbereichen versuchen die Mitarbeitenden des Sozialamtes Probleme zu lösen, bevor die finanzielle Unterstützung zum Thema wird.» Dieser Bereich wird in Zusammenarbeit mit dem Familien- und Begegnungszentrum Reburg sowie dem Verein Treffpunkt in den kommenden Monaten nochmals deutlich ausgebaut. Ausserdem soll es im Familien- und Begegnungszentrum Gelegenheiten zu spontanen, aber auch intensiveren Beratungen geben. «Dadurch kann man den zum Teil schambehaftete Gang zum Schalter des Sozialamtes umgehen, ohne auf die Leistung zu verzichten», erklärt Mattle und ergänzt: «Ein wichtiges Puzzleteil für ein gesundes Sozialwesen ist auch die Vielzahl an sozialen Institutionen und Organisationen in Altstätten. Wir stellen in der Bevölkerung ein überdurchschnittliches Engagement zu Gunsten bedürftiger Personen fest.»Faktoren wie diese dürften dazu beitragen, dass in Altstätten eine der tiefsten städtischen Sozialhilfequoten vorzufinden ist. Dennoch sind auch andere Besonderheiten zu beachten: Eine gewisse, wenn auch während der letzten fünf Jahren untergeordnete Rolle spielt etwa die mit Kanton und Bund geschlossene Vereinbarung zum Bundesasylzentrum Altstätten. «Der neue Vertrag hat die bereits früher verringerte Zahl Asylsuchender, die der Stadt Altstätten als Standortgemeinde zugewiesenen wurden, auf Null reduziert. Gewisse Nachteile, die durch das Bundesasylzentrum entstehen, werden so ausgeglichen und die finanzielle Sozialhilfe wird entsprechend entlastet», erklärt der Stadtpräsident.Sozialer Gedanke bei Rheintaler UnternehmenEinen weiteren Grund für die sich abhebende Quote verortet Mattle in der Offenheit der Rheintaler Arbeitgeber gegenüber bedürftigen Personen. «Immer wieder erleben wir sehr viel Solidarität und Unterstützungsbereitschaft. Das Sozialamt Altstätten stellt fest, dass Rheintaler Firmen bereit sind, auch ein gewisses Risiko einzugehen, sofern wir ein Coaching gewährleisten können.» Rebstein stockt Personal auf dem Sozialamt aufEingliederung Die höchste Sozialhilfequote im Rheintal verzeichnet seit vier Jahren Rebstein, 2019 lag sie bei 2,6 Prozent (Ausgabe vom 24. März). Gemeindepräsident Andreas Eggenberger verortet die Hauptgründe dafür in älteren, günstig verfügbaren Wohnungen und in einem hohen Anteil an grösseren Familien oder solchen mit nur einem Elternteil. «Hier wohnhafte Personen führen ausserdem dazu, dass deren Umfeld teilweise auch in die Gemeinde zieht», erklärt Eggenberger. Hinzu kämen wirtschaftliche Veränderung bei den Arbeitgebern: «Ältere Mitarbeitende mit geringer Ausbildung werden häufig entlassen und anschliessend zu schlechteren Konditionen temporär wieder angestellt. Die sogenannten Working Poor tauchen dann auf dem Sozialamt auf, spätestens wenn sie ausgesteuert sind.» Gemäss Eggenberger treffen die Auswirkungen der Pandemie derzeit nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Personen, die von Sozialhilfe abhängig sind. Wiedereingliederungen würden dadurch erschwert. Deshalb habe der Gemeinderat bereits letztes Jahr beschlossen, die personellen Ressourcen auf dem Sozialamt zu erhöhen und dadurch Klienten näher zu begleiten und rascher wieder einzugliedern. (seh)

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