Reto WälterDie Bus Ostschweiz AG ist ein Verkehrsunternehmen mit Hauptsitz in Altstätten. Sie tritt mit den Marken RTB Rheintal Bus, Bus Sarganserland Werdenberg und Wil Mobil am Markt auf. Neu kommt auch das Fürstentum Liechtenstein dazu. Auf einer Linienlänge von rund 500 Kilometern mit etwa 600 Haltestellen werden jährlich mit über 100 Fahrzeugen Kilometerleistungen im hohen einstelligen Millionenbereich absolviert, auch die Fahrgastzahlen bewegen sich in diesem Bereich. Der 58-jährige Fredi Lüchinger fährt seit fünf Jahren für RTB und ist dort einer von rund 80 Chauffeuren. Der Oberrieter ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter. In seiner Freizeit musiziert er gerne. Er spielt Saxofon und Klarinette und ist Mitglied bei der Stossbergmusik und der Risi-Musig. Erste Welle«Als die Berichte über Corona zunahmen, dachte ich, das wird an uns vorüberziehen wie die Vogelgrippe oder ähnliche Ereignisse. Und dann veränderte sich alles rasend schnell», sagt Fredi Lüchinger. Es gab einen Extra-Fahrplan, der Nachtwind, die Busse in der Nacht, fiel weg. Die Takte wurden ausgedünnt, das heisst, auf gewissen Linien fuhren weniger Busse. Das hatte auch damit zu tun, dass die SBB ihr Angebot drosselten und so weniger Leute ankamen oder zum Bahnhof mussten.Ebenfalls eingestellt wurde der grenzübergreifende Personentransport. Der RTB-Bus durfte in Widnau und Diepoldsau nur noch bis zur Grenze fahren. «Die Zeit, in der wir sonst in Vorarlberg unterwegs waren, verbrachten wir dann einfach an der Haltestelle in der Nähe der Grenze», erklärt Lüchinger. Er habe damals oft Leuten geholfen, die nicht wussten, wie sie weiterkommen. «Eine Frau mit grossen Koffern war völlig verzweifelt, weil ihre Reise so abrupt endete. Ich habe sie dann getröstet und ihr neue Verbindungen herausgesucht», sagt der Chauffeur. Obwohl auch Vorarlberger Busse bis an die Grenze fuhren, gab es in die-ser Zeit nur wenig Fahrgäste, die so an ihr Ziel in der Schweiz oder in Österreich reisten. Insgesamt war die Anzahl der jugendlichen Fahrgäste immer noch gross, spürbar war der Rückgang vor allem bei den älteren Passagieren. Billette konnten nicht mehr im Bus gelöst werden, niemand durfte mehr nach vorne. «Einerseits fehlte mir der Kontakt zu den Kunden etwas, andererseits konnte ich mich voll auf den Verkehr konzentrieren», schaut Lüchinger zurück. Er habe es sehr geschätzt, dass das Unternehmen auch in der Zeit, als die Mitarbeitenden in Kurzarbeit waren, den vollen Lohn ausbezahlt hat. «Strenger hatte es dafür das Reinigungspersonal, das jeweils die Busse desinfizieren musste. Die taten mir richtig leid, denn am Morgen wurde man stets durch den Geruch der scharfen Mittel daran erinnert», sagt der Oberrieter. ZwischenzeitAls man wieder ohne Einschränkungen nach Vorarlberg konnte, explodierte dort der Verkehr. «Vorwiegend sah man Schweizer Nummern, man kam zeitweise kaum durch», erinnert sich der Buschauffeur. «Wir durften auch wieder Billette verkaufen, fühlten uns aber schon etwas ausgestellt, weil man ja nicht wusste, wie sich die ganze Geschichte weiterentwickelt», sagt Fredi Lüchinger. Die Chauffeure hätten dann aber gute Masken bekommen, die fast 100 Prozent wegfiltern sollten. Ebenfalls wies man die Fahrgäste darauf hin, die Tickets online zu buchen. «Obwohl praktisch wieder Normalbetrieb herrschte, haben wir im Bus deutlich weniger Billette verkauft», erklärt er, und sagt dazu: «Speziell ist, dass vor allem die technikgewandten jungen Leute ein Ticket lösen kommen und sich ältere Semester sehr viel Mühe geben, ihren Fahrschein über das Handy zu buchen. Sie fragen dann manchmal nach, ob sie alles richtig gemacht hätten.» Studiere der Kontrolleur einen Moment die Handyanzeige, komme schnell die entrüstete Frage: «Ich bin jetzt aber nicht schwarz gefahren, oder?»Zweite WelleAls die Maskenpflicht eingeführt wurde, mussten fehlbare Fahrgäste darauf aufmerksam gemacht werden. «Das war mir zuwider, ich spiele nicht gerne Polizist», sagt Lüchinger. Obwohl es Einzelne gab, die sich benahmen, als ob sie das Ganze nicht anginge, musste der Buschauffeur selten eingreifen. Der Gruppendruck nahm stetig zu. Unmaskierte wurden zuerst von einzelnen Couragierten und dann zunehmend von mehreren Leuten ermahnt, sich an die Regeln zu halten. «Einmal tat mir das fast selber leid. Eine Frau stieg ein, setzte sich und packte ein frisch gebratenes Poulet aus – es roch herrlich», erinnert sich der Oberrieter. Sie fing an zu essen, was man im Bus sowieso nicht darf. «Aber bevor ich etwas sagen konnte, wurde sie dermassen von einer Frau zusammengestaucht, dass die Hungrige das Poulet schleunigst wieder verpackte und die Maske aufsetzte», sagt Lüchinger, und man sieht ihm an, dass er dieses Brathühnchen immer noch riechen kann. Diese Anekdote spielte sich in Vorarlberg ab: «Wo sehr wenig läuft.» Es kam auch vor, dass selbst ernannte Gesetzeshüter über das Ziel hinausschossen. So geschehen am St. Margrether Bahnhof, als ein stark lädierter Mann unter grösster Kraftanstrengung mit Krücken auf den Bus zuhumpelte, der wegen einer Baustelle auch noch weiter weg parkieren musste. Kaum hatte er sich auf den Sitz gehievt, keifte eine Frau in scharfem Ton, dass er gefälligst eine Maske tragen soll, obwohl der Mann, kaum der Krücken entledigt, mit schmerzverzerrtem Gesicht angefangen hatte, in seiner Tasche nach einem Mundschutz zu suchen. «Sehen sie denn nicht, dass der Mann leidet und sich bemüht», hat sich Lüchinger da eingeschaltet.Ausblick«Die zwischenmenschliche Beziehung leidet. Manchmal wird man von einem Bekannten angesprochen und man kennt ihn unter der Maske nicht einmal. Das ist nicht gut, zumal die Leute zunehmend gestresster werden, schneller die Nerven verlieren», sagt Fredi Lüchinger. Er stellte fest, dass es den öffentlichen Verkehr braucht – auch in einer Krise und schliesst daraus: «Wir tragen dazu bei, dass unser System funktioniert, das gibt mir persönlich Arbeitsplatzsicherheit und ein gutes Gefühl.» Er fand es erstaunlich, wie gut ältere Leute mit der Online-Ticketbestellung zurechtkamen. Dass weniger Billette im Bus bestellt werden, ist für ihn eine deutliche Verbesserung, und der Buschauffeur hofft, dass sich dieser Trend fortsetzt: «So können wir die knappen Fahrpläne, die auf Anschlüsse ausgelegt sind, besser einhalten. Und diese Fahrplanstabilität nützt am Ende den Kunden.» Unsere Serie zeichnet chronologisch nach, was sich für die Menschen aus der Region in den einzelnen Phasen der Pandemie verändert hat.