09.12.2019

Als Rentner Kosmetiklinie entwickelt

Peter Künzler, einst Chef-Entwickler bei Toko, hat heute seine eigene Kosmetiklinie. Der Jungunternehmer ist 75.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Alles begann dank der Bekanntschaft mit Bertram Wick, einem katholischen Pfarrer in Ecuador. Wick hat zusammen mit der Bevölkerung eine Aloe-Vera-Farm und eine Kosmetiklinie aufgebaut.Mit Hilfe von Peter Künzler hatte Wick einst die Idee verfolgt, ein Schuhpflegeprogramm zu entwickeln, die Rezepturen hatte Künzler schon geliefert, die nötigen Rohstoffe allerdings waren in Ecuador schwer zu bekommen. Künzler sagt, Bertram Wick habe zu ihm gemeint, wer in der Lage sei, eine Schuhcreme zu entwickeln, könne bestimmt auch Körpercremen machen.Also entstand die Kosmetiklinie Colonche für den guten Zweck, denn der Erlös wurde Projekten in Ecuador zugeführt. Das ist noch immer so, doch Peter Künzler hat seinen Job getan; ein Produzent übernahm vor drei Jahren in gegenseitigem Einvernehmen Künzlers Rezepturen, die er leicht veränderte.Ungewöhnlich hoher Anteil an Aloe-Vera-SaftSeither hat Peter Künzler eine neue Linie entwickelt, mit Blick speziell auf Alters- und Pflegeheime. Für seine Kosmetikprodukte verwendet der Altstätter ebenfalls Aloe-Vera-Saft, wobei dessen Anteil mit 30 Prozent bei den Pflegeprodukten und 20 Prozent bei den Körperreinigungsartikeln ungewöhnlichhoch ist. Die Verwendung von so viel frischem Saft, sagt Künzler, mache die Pflegemittel besonders hautfreundlich und bedeute einen hohen Mineralstoffgehalt. Auch alle anderen Rohstoffe seien natürlich und nach-wachsend. Die Emulgatoren bestehen teilweise aus Mais und Kokosöl, als natürliche Öle dienen Jojoba-, Mandel- und Avocadoöl, und den dezenten Duft bestimmen natürliche ätherische Öle. Einzig die zwei Konservierungsstoffe sind synthetisch hergestellt, was wegen des hohen Aloe-Vera-Anteils unvermeidlich ist.Mit seiner eigenen Kosmetiklinie unterstützt der in St. Margrethen aufgewachsene Künzler, der fast ein Vierteljahrhundert beim früheren Altstätter Schuh- und Skiwachshersteller Toko tätig war, ebenfalls Bertram Wicks Projekte. Denn einerseits bezieht er vom Pfarrer den Aloe-Vera-Saft, zweitens lässt er zehn Prozent seines Erlöses den Projekten Wicks zukommen.Einstiger Coiffeursalon dient zur FabrikationAls «Fabrikationsgebäude» dient dem 75-Jährigen ein ehemaliger Coiffeursalon, in dem zuletzt während einigen Jahren der (nun umgezogene) Eggpunkt eingerichtet war, ein ökumenisches Diakonieprojekt, das die Abgabe von Lebensmitteln und Artikeln des täglichen Bedarfs an Bedürftige bezweckt. Künzler stellt in 5-, 10- und 20-Liter-Chromstahlkesseln seine Produkte her, wobei das Herstellungsverfahren aus Heizen, Rühren und Kühlen besteht.Weil alle Pflegeprodukte Öl und Wasser enthalten, also ei-nander abstossende Stoffe, ist mit Hilfe eines Emulgators zu mischen und sicherzustellen, dass die Mischung stabil bleibt und dass Öl und Wasser sich nicht wieder trennen. Von 1990 bis 2000 war Peter Künzler Mitglied der evangelischen Kirchenvorsteherschaft in Altstätten, zuletzt während zwei Jahren als Präsident. Er sagt von sich, er sei ein Bewegungsmensch. Er joggt und betätigt sich fleissig als Langläufer, im Langlaufzentrum Gais ist er seit 25 Jahren Aktuar.Beweglich blieb er auch im Kopf. Nachdem er in Rheineck eine Lehre als Elektromechaniker absolviert und während vier Jahren als Servicetechniker für EDV-Anlagen gewirkte hatte, machte er berufsbegleitend die Matura. An der ETH in Zürich studierte er anschliessend Chemie, mit Promotion zum Dr. sc. nat., in der gleichen Zeit und darüber hinaus absolvierte der Rheintaler ein Postdoc-Studium in Kalifornien (Pharmaindustrie). Bevor er bei Toko in Altstätten bis zur Pensionierung im Jahr 2008 während 24 Jahren die Forschungs- und Entwicklungsabteilung führte, hatte er bei Unilever in Münchwilen als Entwicklungsleiter gewirkt.An der Wand hängen farbige WachstafelnIn Künzlers jetzigem Produtionsraum schmücken mehrere Farbtafeln die Wand.Ein Künstler aus Luzern, Hubert Hofmann, hatte den Alt-stätter zur Herstellung der Wachstafeln angeregt.Hofmann, fasziniert von Skiwachsfarben und Wachsmaterial, erarbeitete einst eine besondere Installation. Seine Wachsplatten, die zusammen mit Toko-Werkzeugen beim Öffnen eines Schranks zum Vorschein kamen, hängen heute im Gang einer Verlegerin.Peter Künzler hat seine Wachsplatten selbst gemacht. Auch sie legen Zeugnis ab von seinem auserlesenen Talent als Mischer. Die Oberfläche der Tafeln ist so beschaffen, dass die bunten «Kunstwerke» gut aussehen und keinen Sprung aufweisen. Sie erinnern Peter Künzler an seine berufliche Laufbahn und sind ein farbenfrohes Beispiel für die Präzision, die bei der Herstellung der Pflegeprodukte nötig ist.HinweisPeter Künzler hat zusammen mit dem 78-jährigen Jungunternehmer-Kollegen Peter Tarolli einen ehemaligen Coiffeursalon an der Altstätter Churerstrasse gemietet.  

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