Der Patron, 78-jährig, ist ein angenehmer Herr, der die Belegschaft schätzt und das auch zeigt. Durch den Betrieb bewegt er sich, als würde er auch noch in zwanzig Jahren unerschütterlich zum Rechten sehen.Diese erfundene Szene hat etwas Rührendes. Aber die Vorstellung, in einem Betrieb zu arbeiten, der von heute auf morgen ohne Führung dasteht und dessen Weg in die Zukunft ungeklärt ist, kann Angestellte erschaudern lassen.Früh die nötige Sicherheit schaffenSolcher Ungewissheit beugen weitsichtige Unternehmer nicht erst mit siebzig, fünfundsiebzig (oder niemals) vor, sondern möglichst früh. Markus Bruderer, der die Oberrieter Faba Fahrzeugbau AG als Geschäftsführer und bisheriger Hauptaktionär dem 42-jährigen Roland Seiz übergeben hat, meint rhetorisch: «Warum nicht schon mit sechzig loslassen? – Fünf Jahre vergehen noch so schnell.»Die Nachfolge zu regeln, kann beschwerlich sein. Nicht immer ist jemand zur Stelle, der ein Unternehmen übernehmen möchte und dazu auch in der Lage ist, sowohl fachlich als auch finanziell.Ist dann ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden, ist es «wichtig, dass derjenige, der übergeben will, auch wirklich übergibt», sagt Markus Bruderer. Es spielten ja Emotionen mit, und wenn es ernst gilt, sind Gefühle unberechenbar. Das A und O ist deshalb die vertragliche Regelung der Übergabemodalitäten. Eine bestimmte Sicht könne sich ändern, was es nötig mache, alles Wichtige frühzeitig verbindlich zu klären.Hugentoblers haben Familiencharta verfasstMagnus Hugentobler, der die in Au aufgebaute Firma HWT den Nachkommen übergeben hat, stellt klar: «Halbheiten darf es keine geben, dafür sind Verantwortung und Haftungsrisiko zu gross.» Die Tochter Janine Zoller-Hugentobler, Betriebsökonomin und bei HWT nun als Personalchefin und Marketingverantwortliche tätig, hat dem Übernahmeprozess ihre Bachelorarbeit gewidmet. «Reibungspunkte» gibt es immer, sagt sie, auch in noch so harmonischen Familien.Als erstes haben Hugentoblers gemeinsam eine Familiencharta verfasst. Auf mehreren A4- Seiten wurden die Vorstellungen jedes Einzelnen festgehalten. Die Familie hat beschrieben, wer sich wie einbringen wird, hat Ziele vereinbart und sich darauf verständigt, dass das Lebenswerk der Eltern fortzuführen sei. Von Anfang an stand Hugentoblers ein Treuhänder beratend zur Seite, und abschliessend hat ein Anwalt das Vertragswerk geprüft. Für den Fall, dass in einem Unternehmen zwei oder mehr Nachkommen ähnliche Aufgaben erfüllen, empfiehlt Janine Zoller, auch Lohnstufen zu definieren.In neue Aufgaben hineingewachsenFamilienbetriebe haben den Vorteil, dass Sohn oder Tochter in künftige Aufgaben hineinwachsen kann. Der 33-jährige HWT-Geschäftsführer Dennis Hugentobler hat eine Lehre als Sanitärinstallateur gemacht, auf dem Bau gearbeitet, auswärts ein Praktikum als Planer absolviert und ist seit 15 Jahren für den Betrieb der Familie tätig. Schon als Pimpf habe er den Betrieb kennengelernt, erzählt er, nach der Lehre bildete er sich zum Chefmonteur und Sanitärmeister weiter. Schritt für Schritt bekam er mehr Verantwortung übertragen, bis er vor sechs Jahren die Planung für fünfzig Wohnungen besorgen und vor vier Jahren seine erste Grossbaustelle als Projektleiter betreuen durfte.Ein Generationenwechsel findet auch in der Widnauer «Backstube» statt. Patrick Huber, einer von drei Söhnen, kehrte als junger Berufsmann nach einer Saison im St. Moritzer «Palace» in den elterlichen Betrieb zurück, weil der Vater an der Schulter operiert werden sollte. Patrick Huber ist geblieben – und «es war der richtige Entscheid». In Zukunft ist er selbst der Chef, ab Spätsommer am neuen Standort im Migros-Nachbargebäude an der Bahnhofstrasse 6. Patrick Huber sagt, mit der Geschäftsübernahme seien wichtige Fragen einhergegangen. Als schliesslich verworfene Varianten standen auch eine Renovation sowie ein Neubau zur Debatte.Patrick Huber hat das Glück, nicht nur auf die Unterstützung seiner Brüder zählen zu können: Wirtschaftsprüfer Dominic leistet administrativ und konzeptionell wertvolle Hilfe, Bruder Daniel als Bauzeichner. Bei Bedarf wird auch im Laden mitgeholfen, wo die Eltern nach wie vor stark eingespannt sind. An den neuen Ort kommen sie ebenfalls mit und arbeiten «solange sie an ihrer Arbeit Freude haben», sagt der Sohn.Darlehen zwingen zum GeschäftserfolgMarkus Bruderer von Faba Fahrzeugbau arbeitet, allerdings bei reduziertem Pensum, ebenfalls noch weiter, obschon er den Betrieb nun übergeben hat. Weil weder Sohn noch Tochter an einer Übernahme interessiert waren, hat Markus Bruderer vor fünf Jahren begonnen, sich ernsthaft mit seiner Nachfolge zu befassen. Den Verkauf an einen Mitbewerber hatte er möglichst vermeiden wollen –und das Ziel, im Sinne einer nachhaltigen Lösung jemand Jüngerem eine Chance zu geben, liess sich dank frühzeitiger Planung erreichen. Markus Bruderer ist froh. Es sei «bilderbuchmässig gelaufen», die Eigenständigkeit des Unternehmens bleibe gewahrt. Roland Seitz, der neue Faba-Fahrzeug-Chef, ist in Widnau aufgewachsen und lebt seit zehn Jahren in Kriessern. Er war früher als technischer Leiter bei einem Mitbewerber tätig. Markus Bruderer war ihm als Konkurrent bekannt, mit dem aber zum Teil auch eine Zusammenarbeit erfolgte.Roland Seitz hatte gerade eine neue Stelle als Geschäftsführer angetreten, als Markus Bruderer ihn anrief, um über die eigene Nachfolge zu reden. Dieser Überraschung folgte reifliches Überlegen, bevor Roland Seitz als Betriebsleiter in Bruderers Firma einstieg und in den letzten vier Jahren jährlich ein Aktienpaket übernahm.Der neue Chef hat sein Erspartes eingesetzt, ist von den Eltern unterstützt worden, bekam von Markus Bruderer ein Darlehen und konnte letztlich auch auf die Bank zählen. Man müsse «scho echli dä Typ» dazu sein, sagt Seitz, denn ein gewisses Risiko bestehe nun einmal. Die ganze Übernahme sei vorbildlich aufgegleist gewesen, und ein Anwalt habe ihn und Bruderer begleitet. Als jemand, der immer gern eine leitende Funktion gehabt und an den Einstieg als Unternehmer gedacht hatte, sieht Roland Seitz sich neuerdings als Unternehmer in der Pflicht. Er trägt die Verantwortung gern – und hofft, dass die guten Geschäftsergebnisse, auf die er angewiesen ist, sich auch einstellen werden.