19.09.2018

Als Kunstturnen das Dorf fesselte

Im August 1968 organisierte der Turnverein ein Olympia-Ausscheidungsturnier der Kunstturner. Mit Peter Rohner war auch ein Rheintaler Versprechen am Start.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Am Wochenende vom neunten und zehnten August war ganz St. Margrethen auf den Beinen. Nach 1960 war der Turnverein erneut verantwortlich für die Austragung eines Ausscheidungswettkampfes der Kunstturner. An diesem Wochenende vor 50 Jahren wurden die Weichen für die Olympischen Sommerspiele in Mexiko gestellt. An vorderster Front war mit Peter Rohner auch ein Lokalmatador und Hoffnungsträger der Kunstturner dabei. «Es war der erste Meilenstein meiner Karriere», sagt Peter Rohner.Als 17-Jähriger wurde er in das Nationalkader aufgenommen und mit 19 Jahren bestritt er besagte Qualifikation für die Olympischen Spiele. Damals war er in der Lehre zum Maschinenzeichner. «Ich musste nebst der Ausbildung unzählige Trainingseinheiten unterbringen», sagt der Olympionike. Zu jener Zeit gab es keine regionalen Trainingszentren, sodass er meist nach Magglingen fahren musste. «Nicht nur die Vorbereitung war aufwendig, auch die langen Anfahrten waren eine grosse Belastung.» Es war eine Zeit vieler Entbehrungen. Jack Günthard, der damalige Nationalmannschaftscoach, verlangte viel von seinen Athleten. «Unter Günthard wurde dreimal so viel trainiert wie zuvor. Fast täglich war ich mit Beweglichkeits-, Konditions- oder Kraftübungen beschäftigt», erinnert sich Rohner.Für harte Arbeit belohntDie strenge Vorbereitung sollte sich bezahlt machen. Bereits am Ausscheidungsturnier im Rheintal zeigten die Bemühungen erste Früchte. Rohner qualifizierte sich dank eines fünften Rangs bei den Pflichtübungen und einem vierten Platz bei der Kür für Mexiko und in der Folge ebenfalls für die Olympischen Spiele 1972 in München und vier Jahre später im kanadischen Montreal. In den Jahren 1970 bis 1972 wurde er dreimal in Folge Schweizer Meister im Mehrkampf. Nebst den schönen Erfolgen feierte Peter Rohner weitere 21 Meistertitel im Einzelkampf. In all den Jahren als Spitzensportler erlebte Rohner einige schöne Augenblicke, dennoch ist ihm der Anlass 1968 in St. Margrethen immer noch präsent. «Alle Vereinsmitglieder waren in die Vorbereitungen einbezogen. Der Anlass hatte für die Region eine grosse Bedeutung», sagt Rohner. Dem pflichtet Guido Schumacher, Kunstturnin-struktor und Kampfrichter, bei: «Wir mussten das Zelt dreimal vergrössern: von 1500 Plätzen auf 1800 und schliesslich auf 2000 Plätze.» Die Tickets gingen binnen kürzester Zeit weg, derart gross war das Interesse. So wurde Rohner für seine Bemühungen belohnt und der ganze Turnverein sonnte sich im nationalen Rampenlicht. An jenem Wochenende Anfang August 1968 herrschte Ausnahmezustand in St. Margrethen – ob jung oder alt, alle wollten beim unvergleichlichen Event dabei sein.Zeiten haben sich verändertRohner legte in dieser Zeit den Grundstein für eine herausragende Karriere. Auch wenn die Kunstturner als eine der ersten Sportler eine kleine Entschädigung für ihre Aufwände bekamen, wurde der Sport vor allem durch das grosse Engagement der breiten Massen in den Dörfern getragen. «Der Turnverein war eine Institution im Dorf», sagt Rohner. Dies sei heute nicht mehr zu vergleichen. Auch wenn aktuell Schweizer Kunstturner internationale Erfolge feiern, war früher der Rückhalt in der Bevölkerung viel grösser. Dafür stünden den Athleten heute, auch abseits von Magglingen, ideale Trainingsgelände zur Verfügung. Insbesondere Nachwuchshoffnungen können sich auf den Sport konzentrieren, ohne dabei vielen anderen Verpflichtungen nachkommen zu müssen.Auch Guido Schumacher sieht die Veränderungen: «Würden wir heute einen solchen Anlass organisieren, würden kaum 4000 kunstturnbegeisterte Zuschauer kommen. So aber bleibt der Ausscheidungswettkampf als einmaliger Anlass der Vereinsgeschichte in toller Erinnerung. Kaum zu glauben das vor 50 Jahren St. Margrethen die Hochburg des Kunstturnens war – auch wenn nur für ein Wochenende.»Benjamin Schmid

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