23.11.2018

Als Arzt und Helfer in Nigeria

Peter und Rita Caluori setzen sich seit Jahren für Bildung in Nigeria ein und haben unter anderem eine Schule ermöglicht. Finanziert wird das Projekt durch Sponsoren und den Verkauf von Kunst im «Open House».

Von Alessia Pagani
aktualisiert am 03.11.2022
«Es hat geregnet und die Schüler waren auf der Wiese versammelt. Eine Lehrerin erzählte auf Nachfrage, dass sie kein Klassenzimmer mehr hätten, weil das Schulhaus sanierungsbedürftig sei. Das gab mir schon sehr zu denken», sagt Peter Caluori noch heute betroffen, 20 Jahre nach dieser Begebenheit. Noch immer hat der 70-Jährige mit der in Nigeria herrschenden Armut zu kämpfen. Anschaulich erzählt er von seinen Erfahrungen. Schildert, wie im westafrikanischen Land gesundheitliche Vorfälle oft mit Besessenheit von Geistern in Verbindung gebracht werden oder wie Kinder vor den Türschwellen von Krankenschwestern abgelegt werden, weil sich die Eltern nicht darum kümmern können oder wollen.Peter Caluori weiss genau, wovon er spricht. Seit 18 Jahren engagiert sich der ehemalige Hausarzt in dem afrikanischen Land mit 200 Millionen Einwohnern. Heute sind der Pensionär aus Wolfhalden und seine Ehefrau Rita mit dem Verein Afri’ca für drei Schulen in Mgbele und für das Armenhaus «poorest of the poor» im 600 Kilometer entfernten Gwagwalada verantwortlich.Nur die Bildung kann etwas ändernDort wurde 2010 ein Ausbildungscenter errichtet, wo die gestrandeten Jugendlichen die Berufe Koch, Schneider, Coiffeur oder Informatiker erlernen. Denn für Caluori ist klar: Bildung ist der Schlüssel zu einem besseren Leben. «Alle Politiker sagen, das Asylantenproblem könne nur gelöst werden, wenn die Menschen in ihren Ländern blieben. Fast jeder Nigerianer will aber sein Land verlassen. Ich habe gesehen, welche Potentaten das Land regieren und es schamlos ausbeuten. Diesen ist es recht, wenn die Menschen Analphabeten bleiben. So lassen sie sich leichter regieren und dirigieren. Sie fördern den Analphabetismus, um das Volk zu unterdrücken. Ändern kann sich nur etwas, wenn die Menschen Bildung erhalten.»Engagement als BaustellenarztHeute reisen die Caluoris nur noch einmal jährlich nach Nigeria. «Meine Frau und ich gehen immer getrennt, wegen der vielen Entführungen, die es im Süden gibt.» Über die unsichere Lage wusste Caluori vor fast zwanzig Jahren noch nichts – denkt rückblickend, dass er eher den Weg nach Ghana oder Tansania hätte einschlagen sollen. Und trotzdem: Caluoris Augen glänzen, wenn er von seinen Besuchen in Nigeria spricht: «Wenn wir auf dem Pausenplatz ankommen, singen und tanzen die Kinder vor Freude.»Zu seiner Afrika-Hilfe ist Peter Caluori eher zufällig gekommen. 2000 besuchte er einen dreimonatigen Tropenkurs in Berlin. Nach dem Knüpfen erster Kontakte kam die Anfrage: Caluori sollte in Nigeria für eine Baufirma als Baustellenarzt tätig sein. So engagierte er sich fortan auf Baustellen im ganzen Land. «Sie müssen sich vorstellen, dort arbeiten Hunderte Menschen. Und sie alle haben ihre Fami­lienmitglieder dabei.» Problem Nummer eins war Malaria, aber auch Tuberkulose, HIV oder Arbeitsunfälle waren häufig.Ehefrau Rita besuchte ihren Mann regelmässig. Nicht immer eine einfache Situation: «Beim Verlassen des Camps begleitete uns zu unserer Sicherheit vorne und hinten eine Eskorte mit je zwei bewaffneten Militärs», so Peter Caluori. «Vor allem für meine Frau war es bitter, im Camp eingesperrt zu sein.»Glücklicherweise verliess Rita Caluori dieses doch dann und wann. Und so wurde sie eines Tages auf das Armenhaus aufmerksam, das von Schwester Oresoa aufgebaut worden war. «Sie ging Tag für Tag von Tür zu Tür, um für die bedürftigen Kinder zu betteln», so Caluori.Ungefähr zeitgleich kam Scholastica auf den Schweizer Arzt zu und fragte diesen an, ob er sie, eine einfache Krankenschwester, einmal wöchentlich auf den Krankenbesuchen begleiten könne. «Ich habe schnell gemerkt, dass ihr Anliegen nicht nur medizinischer Natur war, sondern oft einfach das Geld fehlte für Medikamente oder Operationen.» Caluori griff in die eigene Tasche, bis es irgendwann eine zu grosse Belastung wurde. So entschied sich das Ehepaar, Freunde und Bekannte um Spenden zu bitten. Seit 2005 verkauft Rita Caluori zudem im Rahmen des Wolfhäldler Weihnachtsmarktes im Weiler Augsti in ihrem «Open House» selbst hergestelltes Porzellan. Der Erlös fliesst vollumfänglich in das Hilfsprojekt.Unabhängigkeit gewährleisten«Es gibt nicht viele Menschen, gerade auch in Nigeria, auf die man sich verlassen kann. Oresoa und Scholastica sind solche Personen», so Peter Caluori. Gemeinsam wurde im Laufe der vergangenen 16 Jahre das Armenhaus ausgebaut und in Mgbele ein Kindergarten, eine Primarschule mit zwölf Klassenzimmern und einem Adminis­trativgebäude sowie aktuell eine Sekundarschule mit zwölf Klassenzimmern gebaut.Heute zählt die Schule 264 Schüler, 60 von ihnen sind gesponsert, sprich sind als Patenkinder unter einer Obhut. Für jedes Kind wird 180 Franken jährlich gezahlt. 15 Lehrer und zwei Kindergärtnerinnen betreuen die Kinder, zwei Wächter sollen Diebe abhalten und zwei Fahrer sie sicher zum Unterricht bringen. Von der Gemeinde haben Caluoris vier Hektaren Land erhalten. «Diese werden nun bewirtschaftet, um die Selbstversorgung zu gewährleisten.» Hinzu kommen zwei Fischbecken und eine Hühnerfarm. Weiter wurden fünf Brunnen errichtet. «Diese stellen für viele Familien eine massive Verbesserung der Lebensqualität dar.»Armut, Korruption, fehlende Bildung, Misswirtschaft, Bilder von verwahrlosten Kindern – auf die Frage, wie man als Schweizer auf diese Erlebnisse reagiert, sagt Caluori: «Die Erfolge in der Therapie und die dankbaren Patienten überwiegen alles. Die Korruption ist das Grundübel, welches auch die Armut mitverursacht. Ich bin überzeugt, dass nur Bildung auf lange Sicht die Korruption beseitigen kann, es braucht dazu informierte junge Nigerianer. Nur gebildete und ausgebildete junge Nigerianer werden einen Job finden und darauf verzichten, ihr Land zu verlassen.»HinweisPorzellanverkauf zugunsten des Hilfsprojekts Afri’ca am 24. November, im «Open House» der Caluoris im Rahmen des Augsti-Weihnachtsmarktes in Wolfhalden. Informationen zum Hilfsprojekt unter: www.afri-ca.ch

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