27.02.2022

Alltag im Schatten der Demenz

Auf welche Schwierigkeiten demente Personen treffen, konnten Interessierte anhand eines Demenzsimulators testen.

Von Jana Kehl
aktualisiert am 02.11.2022
Banal und leicht machbar sahen die Experimente des Demenzsimulators von aussen betrachtet aus. Unter den Interessierten, die sich auf diese einliessen, machte sich Verwirrung und Hilflosigkeit breit – Gefühle, mit denen demenzkranke Personen im Alltag stets konfrontiert sind.Fast 150'000 Personen in der Schweiz leiden unter Demenz, wobei die Krankheit sehr unterschiedliche Formen annehmen kann. Die Auswirkungen bekommen nicht nur Erkrankte, sondern auch ihr Umfeld zu spüren. Oft ist es für Personen im Umfeld schwierig, das nötige Verständnis zu entwickeln und sich in die Lage einer Person mit Demenzerkrankung hineinzuversetzen.Wenn der Kopf nicht mitmachtDer Anlass «Wie fühlt sich Demenz an?» wurde von der Evangelischen Kirchgemeinde Thal-Lutzenberg organisiert. Nach einem Einführungsvortrag von Pflegeexpertin Christina De Biasio Marinello konnte das Publikum am eigenen Leib, in Form eines Selbstexperiments, erfahren, welche Herausforderungen die Krankheit mit sich bringt. Das Schreiben einer Postkarte, ein kurzer Einkauf oder das Richten des Frühstücks kann mit Demenz schnell zu einer komplizierten Angelegenheit werden.Durch die Sinnestäuschungen des Demenzsimulators wurden die Besucherinnen und Besucher an Situationen des Scheiterns im Alltag herangeführt. Dass dies ein «sehr mühsames» Gefühl ist, wurde den Teilnehmenden am Samstag schnell deutlich. «Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass man so sein Leben meistern muss», sagte Melanie Tobler. Viele der Anwesenden hatten einen persönlichen Bezug zu der Krankheit –entweder aus dem privaten Umfeld oder durch den Beruf.Ein Prozess des VerlierensTrotz dieser Erfahrungen war es für Angehörige oder Betreuende bisher schwierig nachzuvollziehen, wie sich Demenz anfühlt. «Durch diese Selbstexperimente verstehe ich das Verhalten von dementen Personen in bestimmten Situationen besser», sagte Ina Pezzoni, die im Pflegeheim arbeitet. Verlust ist der wohl sichtbarste Schatten, den die Krankheit wirft. Nebst persönlichen Erinnerungen sind es auch Fähigkeiten, die man sich im Laufe des Lebens angeeignet hat und die in Folge der Demenz verloren gehen. Ist dieser Prozess den Erkrankten bewusst, geht er oft mit Angst vor dem persönlichen Versagen einher und wird so gut wie möglich und so lange wie möglich versteckt. Doch woher kommt diese Angst? «Leistung wird in unserer Gesellschaft sehr stark gewichtet», stellt Christina De Biasio Marinello fest. «Oft definieren wir uns über unsere Leistungsfähigkeit – verlieren wir sie, ist dieser Umstand für uns nur schwer zu akzeptieren.»Um mehr Verständnis für die Beeinträchtigungen infolge einer Demenzerkrankung zu schaffen, ist für Christina De Biasio Marinello ein Haltungswandel notwendig: «Eine bejahende und wertschätzende Haltung ist die zentrale Grundlage einer demenzsensiblen Gesellschaft. In dieser soll man die Krankheit merken dürfen.»

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